Das 0:1 gegen Stuttgart beendet voreilige Träumereien

Das Schöne am Fußball ist ja, sich Dinge vorzustellen, die in der (rosigen) Zukunft liegen. Den meisten HSV-Anhängern dürfte es nach den Bundesliga-Ergebnissen am Sonnabend ähnlich gegangen sein. Bei einem Sieg über den VfB Stuttgart hätte ihr Verein auf einen Platz rücken können, der zur Teilnahme an der Qualifikation zur Königsklasse berechtigt. So lag fast ein Hauch von Champions League über dem Volkspark: "Sie sind die Besten, die Meister, die Champions", heißt es in der im Stil von Georg Friedrich Händel arrangierten Hymne, die womöglich der eine oder andere verträumte HSV-Fan beim Einlaufen der Teams summte. 90 Spielminuten später, nach dem 0:1, war diese Fantasterei wieder hinfällig. Zum Glück.

Der HSV dieser Saison 2012/13 ist kein Verein, der die Qualität hat, um in die Spitzengruppe der Bundesliga vorzustoßen, und schon gar nicht, sich mit Europas Topteams zu messen. Zwar ist es an einem guten Tag möglich, sogar Borussia Dortmund zu schlagen. Doch angesichts der Ausgeglichenheit der Liga ist es auch möglich, völlig verdient gegen ein Team zu verlieren, dem zuvor in sieben Versuchen erst ein Sieg gelungen war. Jede Form von Überheblichkeit, die ein kurzfristiges Vorstoßen auf Rang vier womöglich befördert hätte, wäre gefährlich. Dass ein van der Vaart allein kein Ticket für den Fahrstuhl nach oben garantiert, war klar.

Nach dem Fehlstart und der dank der Verpflichtung von Rafael van der Vaart losgetretenen Euphoriewelle mit zehn Punkten aus vier Spielen tritt der HSV nun bereits in die dritte Phase: die der Konsolidierung. Die wahre Qualität des neu formierten Kaders wird sich erst zeigen, wenn es den ersten Kater nach dem Rausch gegeben hat, wenn mentale Rückschläge verkraftet werden müssen, wenn sich der Gegner auf die spielstarken Kräfte eingestellt hat und Gegenmittel ergreift, wie es Stuttgart gestern gelang.

In diesem Findungsprozess aber nun wieder alles Negative zu betonen wäre genauso falsch. Nicht umsonst heißt es: Aus mangelnder Selbsteinschätzung entstehen so viele Fehler wie aus übertriebener Selbstachtung.