Wahl gegen das Establishment

9. November: US-Präsidentschaftswahl. Lesermeinungen zum Sieg von Donald Trump

Wenn die Gesellschaft oder große Teile der Gesellschaft sich von der Regierung nicht mehr verstanden oder abgehängt fühlen, werden Wahlentscheidungen nicht mehr nach rationalen Gesichtspunkten gefällt, sondern nur gegen das Establishment. Da passieren dann solche Entscheidungen wie jetzt in den USA, vorher beim Brexit oder in Polen gegen die EU-Politik. Ob dies dem Weltfrieden und dem Zusammenwachsen der Menschheit zuträglich ist, wage ich zu bezweifeln. Wenn man in der Geschichte zurückblickt, gab es im Deutschland der 30er-Jahre eine ähnliche Situation.

Horst Möhlmann, Rosengarten

Warnung für europäische Politiker

Dieser Wahlsieg von Donald Trump sollte allen europäischen Politikern eine Warnung sein! Ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl, endlich konstruktiv und effektiv etwas gegen das Auseinandergehen der sozialen Schere zu tun, denn genau diese soziale Ungerechtigkeit, die uns auch die Globalisierung gebracht hat, hat den Wahlsieg von Trump erst möglich gemacht. Es ist fünf vor zwölf.

Elvira Kleinschmidt, per E-Mail

Aufschwung für Populisten

Wenn unsere Politiker die Sorgen großer Teile der Bevölkerung nicht ernst nehmen – Renten, Mieten, Großprojekte, Flüchtlinge, Verkehr und vieles andere –, ist es kein Wunder, dass Populisten und ihre Parteien immer stärker werden. Bei jeder Möglichkeit nur den Erfolg für das eigene Lager im Auge zu haben ist tödlich. Das gilt auf Bundes- und Landesebene. Erfolgt keine Umsteuerung, dann graut mir vor den nächsten Wahlen. Das Beispiel des Wahlerfolgs von Trump wird den rechten Kräften in Europa einen Riesenaufschwung verleihen.

Erhard Frömmig, Hamburg

Die USA haben Trump verdient

Nach Nixon, Reagan und Bush junior haben die USA mit Trump nun schlussendlich den Präsidenten, den man mit einer Tradition aus völlig überzogenem Pa­triotismus und einer Selbstverliebtheit, einer mehrheitlich fundamental religiösen Anhängerschaft von evangelikalen Sekten, einer geradezu erotischen Beziehung zu Waffengewalt und Militär, gepaart mit einem unglaublich naiven unerschütterlichen Glauben an Neoliberalismus und Kapitalismus, verdient hat. Jetzt gehört den bekloppten Verschwörungstheoretikern das mächtigste Land der Welt. Es gibt keinen Wahlbetrug, auf den sie eventuell insgeheim selbst gehofft hatten, damit sie nie wirklich liefern müssen. Jetzt wird ja nach ihrer Theorie ganz schnell alles gut – mit Nationalismus, Militarismus, ihrer Eigeninterpretation von konservativ-christlichen Werten und autoritärem Führerkult. Wollen wir mal sehen.

Markus Meister, Kassel

Wer das Geld hat, hat die Macht

Das amerikanische Volk hat gewählt. „Ungebildete, ältere Männer“ wählten Donald Trump, die junge Bevölkerung Hillary Clinton. Entschieden war die Wahl jedoch bereits im Vorfeld. Wer das Geld hat, hat die Macht ... God bless Amerika!

Silvia Böker, per E-Mail

Die Massen erwachen

Hillary Clinton, die amerikanischen Medien und US-Meinungsforscher haben offensichtlich die Wirklichkeit der Menschen falsch eingeschätzt. Nicht zu Unrecht heißt es inzwischen allgemein, dass durch die sozialen Netzwerke „die Massen“ aufgewacht seien, die ihre „analogen Empörungen“ mit digitalen Mitteln zu emotionalisieren gelernt haben. Das verändert die soziologische Wahrnehmung demokratischer Gesellschaften. Auf der Tastatur arbeiten Populisten wie Trump. Seriosität sei durch die etablierten Politiker zu arg korrumpiert worden, sodass jeglicher Sinn für Anstand und Respekt zunehmend schwinde. In solchem Kontext hieß es kürzlich über unsere Politiker, sie bestritten seit Jahrzehnten ihre Existenz grundsätzlich mit der Geduld der Menschen, aber diese Geduldsfäden begännen zu reißen. Die ersten Europäer, die Trump nach dem Sieg gratulierten, waren der Niederländer Wilders und die Französin Ma­rine Le Pen. Kein Wunder. Man darf gespannt sein, wie ab Januar 2017 die Administration Donald Trumps damit umgehen wird. Was seitens der „Eta­blierten“ endlich verstanden werden muss, ist jenes tatsächliche „Erwachen der Massen“ durch das Internet.

Rainer Kranzusch, per E-Mail

Ein Selbstdarsteller an der Spitze

Quo vadis, USA? Nun ist wahr geworden, was viele befürchtet, aber nicht für möglich gehalten haben. Ein psychopathischer Selbstdarsteller steht an der Spitze der größten Militärmacht der Welt. Wenn Trump nur die Hälfte seiner vollmundigen Wahlversprechen in die Tat umsetzt, wird sich innen- und außenpolitisch einiges zum Schlechten ändern. Amerikas Waffenlobby, Industrie und Militär werden frohlocken, denn unter dem neuen Präsidenten werden die Waffengesetze wohl noch liberaler, das industrielle Wachstum ohne Rücksicht auf den Klimawandel vorangetrieben und das Atomwaffenprogramm neu aufgelegt. Muslime und Afroamerikaner werden es noch schwerer in diesem Land haben als bisher, und die Grenze zu Mexiko wird ein neuer Eiserner Vorhang. Man kann den USA zu diesem Wahlergebnis nur kondolieren.

Martin Wucherpfennig, per E-Mail

Wer hat Angst vorm bösen Trump?

Die USA (und wir) haben Carter, Nixon, Reagan und George W. Bush überstanden. Also: Wer hat Angst vorm bösen Trump?

Arno Michel, Buchholz in der Nordheide

Schmutziger Wahlkampf

Geprägt von persönlichen Beleidigungen und Schmähungen unter der Gürtellinie war der Wahlkampf einer der schmutzigsten der amerikanischen Geschichte. Trotz der „Mühen“ vieler Umfragen hat der umstrittene Republikaner dennoch die Präsidentschaftswahl in den USA gewonnen. Und gilt somit als ein demokratisch gewählter Präsident! Was immer man sich darunter vorstellen darf. Es ist ihm gelungen, die meisten Stimmen der Amerikaner auf sich zu vereinen. Dies sollte zu denken geben. Ob er nun die Weltmacht regieren kann, ist sekundär. Die Konservativen haben die Mehrheiten im Senat und im Repräsentantenhaus. Damit kann er im US-Kongress alle Vorhaben umsetzen. Das ist Fakt. Seine Stimmungsmache und populistischen Parolen gegen Einwanderung, internationale Handelsabkommen und Globalisierung haben Trump den Wahlsieg beschert. Diese machte er für den Verlust von Arbeitsplätzen in den USA verantwortlich. Hier traf er die Herzen derer, die von der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung der USA am meisten betroffen sind. Und das lässt den Zustand der Weltmacht erahnen. Ein gesellschaftliches Problem? Auf jeden Fall ein Ergebnis der Politik der Demokraten. Ganz nebenbei hat dieser Wahlkampf einen ungeheuerlichen Schaden für die Demokratie angerichtet.

Hans Pohl, Neustadt (Ostsee)

Wir brauchen neue Köpfe

Wir müssen uns die Frage stellen, was der Sieg Donald Trumps für unser Land bedeutet. Das bezieht sich sowohl auf Inhalte (Globalisierung und Folgen, Handelsabkommen, Verteidigungspolitik, Sozialpolitik) als auch auf unser politisches System. Die Faustregel, dass alles, was sich in den USA entwickelt, nach einiger Zeit bei uns ankommt, schafft ohnehin keine Beruhigung. Aber gehen Entwicklungen heute nicht noch schneller voran? Was bedeutet das für unsere Bundestagswahl? Welche Strategie ist anzulegen, um einen wachsenden Wähleranteil wieder mit unserem Politiksystem zu versöhnen? Es muss jetzt ein Ruck durch die Politik gehen, wir brauchen ganz neue Köpfe, Typen eben, welche bei den Abgehängten Gehör finden. Also nicht zu sehr auf die Börsenausschläge und die Lobbyisten schauen, die sich jetzt gleich wieder zu Wort melden, sondern die berechtigten Sorgen in unserer Nation ernst nehmen.

Peter Schmidt, per E-Mail