Das Abendblatt bittet seine Leser um ihre Meinungen zum Umgang mit den Terror-Meldungen. Eine Auswahl der Reaktionen.

Einordnung der Geschehnisse

Der wichtigste Punkt scheint mir nicht die Frage zu sein, ob Sie über terroristische Anschläge berichten, sondern wie. Ich wünsche mir zuerst eine Berichterstattung im Rahmen der Fakten über das, was passiert ist. Bevor nichts Näheres bekannt ist, bitte keine Mutmaßungen und keine Kommentare von Terrorismusexperten, Psychologen oder sonstigen Experten. In der Regel stellen sich diese nach einigen Tagen als unzutreffend heraus und dienen nur einem Eskalationsjournalismus, der nichts anderes erzeugt als unnötige Angst und damit genau das, was Terroristen erreichen möchten. Hat der Täter das Attentat nicht überlebt, ist es unnötig, ein Foto von ihm zu veröffentlichen. Dies unterbindet Anreize für die kurze, zweifelhafte Berühmtheit, die sich vielleicht der eine oder andere Täter davon verspricht und hoffentlich auch das Interesse eventueller Trittbrettfahrer. Ist nach einigen Tagen die Faktenlage klar, sollte eine Information über die Hintergründe und Zusammenhänge erfolgen. Die muss nicht unbedingt auf der Titelseite sein, sondern ist auch auf Seite 2 oder 3 gut aufgehoben. Ich, Ihr Leser, hatte in der Zwischenzeit die Möglichkeit, mich von allen möglichen anderen Medien mit Meinungen, Kommentaren, Mutmaßungen und Talkshows „informieren“ zu lassen und wünsche mir eigentlich nichts anderes als eine sachliche, umfassende Berichterstattung, die mir eine Einordnung der Vorkommnisse ermöglicht.

Dieter Klann

Den Feind lächerlich machen

Ich begrüße es sehr, dass Sie Ihre Leser speziell um ihre Meinung bitten. Im Großen und Ganzen bin ich damit zufrieden, wie Sie bisher das Thema Terror behandelt haben. Einige Anmerkungen: Den Begriff „Krieg“ sollten Sie in Verbindung mit Terroristen und „IS“ nicht bringen. Ein Krieg erzeugt in vielen Köpfen Helden und Heldenverehrung und Kampf für eine gute Sache. Das haben die Terroristen nicht verdient. Es sind schlicht und einfach grausame Schwerstverbrecher, und sie sollten auch so genannt werden. Mich stören unzulässige Verallgemeinerungen, wie z. B. Überschriften „Der Terror ist in Deutschland angekommen“, wenn es sich um eine Tat an einem Ort in Deutschland handelt. Die Karikaturen in Ihrem Blatt sind immer treffend und ganz große Klasse. Mehr davon! Den Feind lächerlich zu machen ist auch ein Mittel zum erfolgreichen Kampf. Obendrein vergrößert es die Lust, die Zeitung aufzuschlagen.

Günter Matiba

Tätern keine große Bühne

Welche Informationen brauche ich, um ein mündiger Bürger sein zu können und Politiker, staatstragende Vereinigungen, Behörden etc. kritisch beurteilen zu können? Ich muss um Terrorakte und Amokläufe wissen und die Sicherheitsvorkehrungen, die getroffen worden sind, erfahren und die Schlüsse, die von den Verantwortlichen gezogen werden, kennen. Ich brauche keine Fotos von Tätern, keine genaue Ortsbeschreibung, nicht den Bericht des Tathergangs von wer weiß was wie vielen Personen und muss auch nicht wissen, wie die Täter an die Waffen gekommen sind. Ich trauere mit den Opfern und ihren Familien und weigere mich aber, den wahnsinnigen Tätern eine breite Bühne in der Presse zuzugestehen.

Heidrun Grabow

Sachliche Informationen

Die Presse hat die Aufgabe, die Bevölkerung zu informieren, nur wird dieses Medium von den Terroristen missbraucht, um Werbung zu machen, das geht natürlich nicht.Die Idee der Zeitung „Le Monde“ ist richtig, keine Fotos und großartigen Berichte. Der Hype um den Mörder von München war unerträglich. Es war, als ob alle Fernsehsender froh waren, dass endlich etwas in Deutschland geschieht. Sachliche Info ist notwendig, aber Fotos der Terroristen sollten nicht gezeigt werden, und eine große Plattform sollte man ihnen auch nicht geben, das wollen sie ja unbedingt.

Christa Riemann

Angst und Schrecken als Folge

Meiner Meinung nach wird zu viel und zu genau über die terroristischen Ereignisse geschrieben. Etwas weniger würde ich mir wünschen. Es zieht zu viel Angst und Schrecken nach sich. Wissen, was los ist auf der Welt, ist wichtig, aber nicht in so vielen Einzelheiten.

Gabriele Leokadia Danielski

In die Irre leitende Begriffe

Ich wende mich insbesondere gegen die immer noch häufige Wortwahl, die nach unserem Sprachgebrauch geradezu positiv besetzt ist. Wie kann z. B. der „IS“ immer noch als „Islamischer Staat“ übersetzt werden, ein quasi legitimes Gebilde, wo es sich doch tatsächlich um eine terroristische Organisation handelt; wie kann Dschihad „Heiliger Krieg“ mit seinen „Kriegern“ genannt werden, quasi ein Heldenstatus, wo es doch nur um Hass, Mord, Vernichtung, Zerstörung, Gewalt in jeglicher Form geht. Wenn schon Berichterstattung, dann sollte nicht durch Begriffe beschönigt, gar verklärt werden und so falsche, in die Irre leitende Assoziationen transportiert werden.

Elisabeth Lerch-Palme

Gesicherte Tatsachen

Vielen Dank, dass Sie uns als Leser bei der Gestaltung Ihrer Zeitung mithelfen lassen. Wichtig bei der Berichterstattung über Terroranschläge ist uns, dass Sie keine detaillierten Angaben über den Tathergang machen, um keine Informationen für Nachahmer zu geben. Informationen über die Hintergründe der Tat und der Täter sind uns nur wichtig, wenn sie als Tatsachen gesichert sind. Spekulationen benötigen wir an dieser Stelle nicht.

Bettina und Thomas Jarck

Verzicht auf große Schlagzeilen

Die Medien sollten nicht über „Attentate“ oder „Anschläge“, nicht über „Attentäter“ oder „Terroristen“ berichten. Das gibt diesen schrecklichen Taten unverdient einen wichtigen beziehungsweise politischen Anstrich. Und keine großartigen Schlagzeilen bringen. Die Berichterstattung sollte total sachlich sein. Berichten Sie über Verbrechen und Verbrecher. Denn es sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es sollten niemals Fotos von Tätern oder Opfern gezeigt und niemals Namen der Täter genannt werden. Wenn die Polizei nach Personen im Zusammenhang mit den Verbrechen sucht, müssen natürlich Fotos gezeigt werden und eventuell auch Namen genannt werden, aber diese Aufrufe sollten neutral gehalten werden. Auch die Motivation der Täter sollte keine Rolle spielen. Ob die Taten aus links- oder rechtsradikalen Motiven, ob angeblich religiös motiviert oder nur aus Rache oder Gier geschehen, ist uninteressant, es bleiben Verbrechen, und diese sollten auch so benannt werden. Auch psychisch kranke Täter sind Verbrecher. Sie wissen meistens ganz genau, dass sie anderen/Unschuldigen wehtun, also Verbrechen begehen.

Marion Harsche

Wichtig sind die Muster

Terror tötet Menschen, aber Zensur tötet Freiheit und Demokratie. Berichten Sie bitte zeitnah, offen, ehrlich und informativ über die Terroranschläge, so- dass sich ein mündiger Bürger eine Vorstellung von den Anschlägen und den Motivationen sowie den Menschen (den Terroristen) machen kann. Nur so können wir mit offenen Augen durch die Welt gehen und vielleicht im Vorfeld eines Anschlags Muster erkennen. Denn die Polizei ist bei der momentanen Taktik der Terroristen überfordert, immer und überall präsent zu sein. Die Bürger müssen, falls sie etwas Verdächtiges merken, der Polizei Hinweise
geben können, ohne sie mit zu vielen Meldungen (Twitter) zuzuschütten. Dazu bedarf es aber einer guten kompakten Berichterstattung, ein wenig Belehrung durch Zeitungen und andere Medien. Berichte über drei Seiten mit Sensationsfotos brauchen wir dazu eigentlich nicht. Detaillierte Tatbeschreibungen, die als Anleitung dienen können, auch nicht. Und gar nicht darüber schreiben (Zensur) schon gar nicht. Wichtig ist die Essenz, und wichtig sind Muster. Ich lese seit über 30 Jahren das Hamburger Abendblatt und bin immer sehr zufrieden mit Ihrer Berichterstattung.

Detlef Heinze

Viele Seiten sind „too much“

Ich bin der Meinung, dass man diesen irren Tätern nicht auch noch eine Plattform bieten sollte. Eine sachliche und differenzierte Berichterstattung ist selbstverständlich notwendig. Aber ein Mehr über viele Seiten, das ist meines Erachtens einfach „too much“.

Birgit Metzmacher

Nichts verschweigen

Als Leser einer Tageszeitung erwarten wir in erster Linie eine umfangreiche Berichterstattung über relevante Geschehnisse und politische Vorgänge weltweit. Im Fokus der Berichte sollten umfangreiche, wahrheitsgemäße und nach Faktenlage detaillierte Informationen für den Leser stehen. Höchste Priorität hat hierbei, dass nicht einseitig berichtet wird, nichts verschwiegen oder vertuscht wird oder nach Lage und Nähe zur Politik bzw. zu Parteien dann nach dem Prinzip von political correctness der Bericht verfasst wird. Der Leser hat ein Recht auf Information, Aufklärung und Fakten, um sich dann ein eigenes Urteil bilden zu können.

Eleonore und Klaus Hellberg

Dem Terror keine Plattform

Ich finde, dass den Tätern, egal welcher Art, grundsätzlich ein zu großer Raum in der Berichterstattung gewährt wird. Es wird über deren Motivation, die schlechte Kindheit oder mangelnde Integration der Täter gemutmaßt. Warum das? Wir brauchen kein Verständnis für die Täter, sondern jede Menge Mitgefühl für die Opfer und deren Angehörige. Über Verbrechen sollte nur aus Sicht der Opfer berichtet werden. Gebt dem Terror keine Plattform.

Monika Klahn

Kurz und nüchtern

Ich würde in der Form über den Terror berichten, wie Sie über schwere Unfälle mit Verkehrstoten schreiben. Es gäbe quasi keine Verkehrsopfer, wenn man die Autos abschaffen würde. Das ist natürlich Unsinn, weil die Realität so ist, wie sie ist. Man lebt damit und versucht, die Zahl möglichst zu reduzieren. Auch die Terroristen sind Realität, die man nicht abschaffen kann. Man muss mit den Anschlägen leben und versuchen, die Anzahl möglichst klein zu halten. Man könnte auch das gesamte öffentliche Leben zurückfahren. Das hätte aber weitreichende Konsequenzen. Beides sind Fakten, die wir nicht beseitigen können. Die Medien könnten aber das Ziel der Terroristen, möglichst viel Aufmerksamkeit und Angst zu erzeugen, unterlaufen. Es wäre gut, wenn sich das Hamburger Abendblatt nicht mehr in­­strumentalisieren ließe: Nach einem Anschlag nur einen kurzen, nüchternen Bericht veröffentlichen. So könnte es ein Vorbild für andere Medien sein.

Karl-Heinz Hermsch

Neutrale Berichterstattung

Der von Ihnen zitierte Psychologe hat selbstverständlich recht, wenn er sagt, dass die Berichterstattung Folgen hat, deren Tragweite man sich womöglich nicht bewusst ist. Eine Unterlassung der Berichterstattung ist jedoch in gleichem Maße eine Manipulation der Lesermeinung. Ich möchte eine möglichst umfassende, aber neutrale Berichterstattung, ohne eine vorgefasste politische Meinung oder Aussage.

Peter Vogel

Keine Fakten vorenthalten

Nach den unsäglichen Silvesterausschreitungen enthemmter Asylanten/Asylsuchenden in Köln wurde vonseiten der Polizei und des Innenministeriums die Öffentlichkeit erst nach Tagen informiert. Und auch die Medien gaben in der Sache kein gutes Bild ab. Ja, es mag einem nach Nizza, Würzburg, München, Ansbach zu viel an Information erscheinen. Aber es ist nun mal die journalistische Pflicht einer Zeitung, ihren Lesern keine Fakten vorzuenthalten. Und ich fürchte, die richtigen Terroranschläge kommen erst noch. Das Potenzial dazu befindet sich bereits in unserem Land. Jede Menge traumatisierte Flüchtlinge.

Norbert Aries

Knapp und relevant

Wir sind sehr angetan von der Fragestellung des Abendblatts zu diesem Pro­blem. Nur eine knappe relevante Darstellung der Hintergründe. Es ist nichts zu zeigen, wenn damit nicht zusätzliche sachliche Informationen verbunden sind. Die Berichterstattung sollte knapp und nicht redundant sein. Ja, der Wiederholungstätereffekt ist sicherlich enorm. Den Nachahmereffekt kann man nicht verhindern, aber durch eine dezente Nachrichtendarstellung eventuell vermindern.

Sulca und Dr. Helmut Huber

Den Opfern eine Stimme

Ich möchte mich bedanken, dass Sie diese Fragen stellen, denn viele schreiben munter drauflos. Ich finde es auch deshalb so bemerkenswert, weil Sie in der Redaktion wahrscheinlich Bilder sehen, die wir als Leser gar nicht zu sehen bekommen, und trotzdem müssen auch Sie den Spagat schaffen zwischen professionaler Arbeit und „normalem“ Alltag. Mich interessieren sehr wohl die Hintergründe der Täter, aber nur, um die Zusammenhänge zwischen ihrer Herkunft, ihrer religiösen Prägung, ihrer Flucht zu verstehen. Ich würde aber auch gern etwas über die Opfer erfahren. Nicht aus Voyeurismus, sondern um zu erfahren, wer diese Menschen waren, was waren ihre Wünsche, Ziele? Denn auch die Opfer sollten eine Stimme haben. Das Thema ist sehr komplex, und es hilft, wenn es mit Sorgfalt und Augenmaß von Journalisten betrachtet wird.

Karen Stolte, Ellerau

Plattform versagen

Ich halte es in diesen Zeiten für angebracht, den Tätern jede nur mögliche Plattform ihrer Aktionen zu versagen. „Le Monde“ in Frankreich hat m. E. die richtige Entscheidung getroffen.

Gernot Wübbenhorst

Richtlinien

Es muss über Terroranschläge – leider – ebenso berichtet werden wie über alle gesellschaftlich relevanten Themen. Aufmachung und Umfang müssen angemessen sein; nicht jeder Anschlag sollte zur Schlagzeile/zum Aufreißer gemacht werden. Mit Nachahmereffekten muss immer wieder gerechnet werden, aber sie lassen sich vielleicht einschränken durch Richtlinien: Keine Täterbilder, keine Opferbilder. Alle Fakten müssen auf den Tisch/Spekulationen vermeiden. Unmissverständliche Berichterstattung. Vermeidung von Dramatisierungen, zweifelsfreie Zuordnung der Taten zu Herkunft, Motiv, Hintergrund des Täters. Keine Psychologisierungen.

Peter M. Lange

Berichte über Strafverfahren

Die Berichterstattung über Terrortaten, die selbstverständlich stattzufinden hat, sollte ihren Schwerpunkt auf das soziale Umfeld und die persönlichen Beweggründe der vorwiegend jugendlichen Täter legen, die sich der Mörderbande des „IS“ verbunden fühlen und im Namen Allahs bereit sind, in den Tod zu gehen. Hilfreich wäre auch eine detaillierte Berichterstattung über stattfindende Strafverfahren, um allen Sympathisanten deutlich zu machen, mit welchen Strafen sie zu rechnen haben, wenn sie als Unterstützer des „IS“ fungieren. Zurückhaltung scheint mir bei der Verwertung des vorhandenen Bildmaterials angebracht – vor allem im Interesse der Angehörigen der auf schreckliche Weise zu Tode gekommenen Opfer.

Dr. Claus Rabe

Ein Paradigmenwechsel

Warum trauen sich die Medien nicht mal einen Paradigmenwechsel in der Berichterstattung? Ab sofort keine Berichte mehr über Selbstmordattentäter, islamische Anschläge oder Ähnliches. Wir sollten anfangen, den Irren keine Plattform mehr zu bieten, ihren Hass zu verbreiten und für andere attraktiv zu machen. Wenn Meldungen hierzu aus den Medien verschwinden, verliert die Durchführung ihren Reiz. Jede weitere Nachricht jedoch wird dazu führen, dass wir uns zunehmend ängstigen und weitere Irre angelockt werden, mitzumachen.

L. Marcus Grän

Zeiten wie diese

Da derartige Täter offenbar Stolz und Freude empfinden, wenn sie und ihre Bluttaten in der Presse erscheinen, wäre ich dankbar, wenn sich die Presse insgesamt abstimmen könnte, so viel wie nötig (Fakten), so wenig wie möglich (Bilder und Mutmaßungen) zu veröffentlichen. Zeiten wie diese brauchen wohl neue Ideen des Miteinanders. Ihr Aufruf gehört dazu, mich tröstet die Idee, dadurch vielleicht doch nicht so ganz hilflos diesem Terror ausgeliefert zu sein.

Dagmar Wehleit