Trauerspiel für Großbritannien

27. Juni: Die Briten wussten nicht, was sie taten. Die Brexit-Anhänger träumen von alten Zeiten

Der Leitartikel von Lars Haider trifft es wieder einmal auf den Kopf. Das kann doch nicht wahr sein: Millionen Menschen, die die Folgen ihres Tuns selbst nicht absehen konnten, gehen dubiosen Rattenfängern auf den Leim. Das Ergebnis hat unabsehbare Folgen für Europa, vor allen Dingen aber für die Briten, die jetzt – wenn sich auch noch die Schotten und die Nordiren von Great Britain verabschieden – zur Bedeutungslosigkeit verkommen. Bezeichnend ist, dass vor allen Dingen die ältere Generation für den Brexit gestimmt hat. Sie wird die katastrophalen Folgen kaum oder nur abgemildert zu spüren bekommen; aber den Jüngeren wird die Zukunft genommen, und sie können nichts dagegen tun. Was für ein Trauerspiel für Großbritannien und Europa.

Helmut Jung, Hamburg

Junge Briten sind schuld

Die jungen Briten haben in großer Mehrheit nicht gegen den Brexit gestimmt, sie haben in großer Mehrheit überhaupt nicht abgestimmt. Die alten Briten haben sich immerhin Gedanken über die Zukunft gemacht: über ihre eigene und die ihrer Kinder und Enkel. Ob diese Entscheidung nun Vorteile oder Nachteile bringen wird, das kann nur die Zukunft zeigen. Aber Tatsache ist: Der Mehrheit der jungen Briten war es völlig egal, ob Großbritannien aus der EU austritt oder nicht. Und genau das hat den Ausgang der Wahl bestimmt.

Silvia di Mattia, per E-Mail

Nationalismus ist keine Antwort

27. Juni: Lesermeinungen zum Brexit

So schmerzlich es ist, dass ein Teil der Briten sich dazu entschlossen hat, auf die Demagogen zu hören, die ihr Heil lieber außerhalb einer gemeinsamen europäischen Gesellschaft suchen, so spiegelt es aber auch die Unzufriedenheit mit dem System der EU wider, welche allenthalben in Europa große Verbreitung findet. Ob das Geschehene wirklich ein großer Verlust ist – immerhin haben die Briten seit jeher eine Sonderrolle beansprucht –, bleibt abzuwarten. Die Verantwortlichen in der EU sollten das Votum der Briten als Weckruf begreifen, um sich mit tiefgreifenden Reformen zu beschäftigen, die unsere europäische Gemeinschaft attraktiver gestalten. Die Anstrengungen, um EU-Skeptiker von den Vorzügen einer europäischen Gemeinschaft zu überzeugen, müssen noch intensiviert werden, und es muss unmissverständlich klar gemacht werden, dass Nationalismus keine Antwort auf die Probleme der Gegenwart und nächsten Zukunft ist. Dass wir trotz aller Gegensätze seit 1945 friedlich in Europa zusammenleben, ist der große Verdienst der Europäischen Gemeinschaft, und das darf unter keinen Umständen in Frage gestellt werden.

Peter Westendorf, Hamburg

Heilsamer Warnschuss

Schade, dass Großbritannien sich zurückzieht, aber ein wenig kann man das schon verstehen. Man muss sich nur einmal die vielen bürokratischen EU-Regelungen und Vorschriften anschauen, mit denen erfolgreiche Betriebe über ein erträgliches Maß gegängelt werden, im Sinne eines oft unnötigen Verbraucherschutzes. Das wäre auf nationaler Ebene sicher anders. Aber vielleicht war der Brexit ja ein heilsamer „Warnschuss“.

Helmut D. Link, per E-Mail

Beneidenswerte Briten

Durch Gespräche mit meinen englischen Verwandten wusste ich, wie die Meinung der Engländer zur EU ist; das Votum war für mich keine Überraschung. Ich muss sagen, dass ich die Briten darum beneide, dass sie die Möglichkeit hatten, zur Wahl zu gehen. Und ich kann die Menschen, die gegen die EU gestimmt haben, verstehen – und ich bin kein Rechtspopulist. Es gab mal eine Zeit vor der EU, und soweit ich mich erinnere, haben wir damals nicht schlechter gelebt. Wenn man sich diesen ganzen Regulierungswust mal anschaut, der von Brüssel aus veranstaltet wird, leben wir dadurch tatsächlich besser? Ich denke nein.

Kerstin Hass, per E-Mail

Die EU bleibt bestehen

Die Zerschlagung der EU würde einem Rückfall ins Mittelalter gleichen. Und weil es sich gerade um England handelt, ein Land, das gern aus der Reihe tanzt, wird dieser Austritt keine Pilotfunktion haben. Die EU bleibt.

Ralph Herrmann, Aumühle

Reform ist überfällig

Solange sich die EU nicht für die Bevölkerung interessiert, interessiert sich das Volk nicht für die EU. Der Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker handelt mit Kanada das Handelsabkommen CETA und mit den USA TTIP aus. Dabei sind Bevölkerung, Parteien und Organisationen lästige Störenfriede und werden total ausgeklammert. Ist das Demokratie? Der Souverän ist das Volk, nicht das Kapital, nicht die Banken, nicht die Investoren. Solange Investmentbanker das Sagen in der EU haben und das Volk nicht eingebunden wird, werden Rechtspopulisten wie Rattenfänger das Volk hinter sich versammeln. Eine Reform der EU ist überfällig, nur so ist die europäische Einheit zu retten.

Otto Kröger, Hamburg

Für eine starke EU kämpfen

Es ist erschütternd, mit welchen Verdrehungen und Lügen die Herren Johnson und Farage ihren hemmungslosen Wahlkampf, ohne jedes Verantwortungsbewusstsein für Bürger und Land, geführt haben. Wie im Wahn verursachten sie schon jetzt massive volkswirtschaftliche Schäden. Man kann nur hoffen, dass die Politiker der zutiefst uneinigen Rest-EU nun endlich aus ihrer Starre erwachen und sich mit Empathie, Aufrichtigkeit sowie glaubhaftem Handeln der Ängste und Sorgen von Millionen Bürgern annehmen. Es lohnt sich, für eine starke EU zu kämpfen!

Volker Deising, per E-Mail