Mehr als nur Fassade

10. Mai: Streit um Denk­mal­schutz in der City. Politik greift Kulturbehörde an, weil die den Abriss von 50er-Jahre-Bau am Neuen Wall verhindert

Aufklärung tut not: Der Denkmalpfleger Günther Grundmann bezeichnete in einem Aufsatz 1956 die Erhaltung der Fassade des Görtz-Palais als eine „mit großen Opfern erkaufte kulturbewusste Leistung“ und bezog dabei ausdrücklich den Neubau mit ein, indem er der Palaisfassade ungeteilte Fenster als Ausweis des dahinterliegenden Neubaus zubilligte. Unerwähnt ließ er, dass die Durchfahrt mit ihren seit­lichen Erweiterungen mit stuckierten Wänden und weitere Innenwände erhalten blieben und beim Umbau auch nicht vollständig entfernt wurden. Die Wiederentdeckung dieser Wände hatte nun den Projektentwickler Quantum überrascht. Würde der 50er-Jahre-Bauteil aufgegeben, wäre deren Erhaltung als Teil des alten Palais mit wiederhergestellter Durchfahrt nur folgerichtig. Welcher Aufwand hierfür im Verhältnis zur Aussagekraft dieser Bauteile steht, obliegt der Interessenabwägung des Amtes oder nun auch des Gerichts.

Frank Pieter Hesse, Architekt, Hamburg

Literaturszene fördern

10. Mai: Stadt der Poeten, Heimat der Preis­trä­ger

Das Feuilleton des Abendblattes rüstet seit einiger Zeit erkennbar auf. Nur folgerichtig in einer Stadt, die Anfang nächsten Jahres mit der Eröffnung der Elbphilharmonie in den Blickpunkt der internationalen Öffentlichkeit gerät und den Hebel, den die klassische Musik bietet, auch nutzen muss, die anderen Kultursparten darzustellen und zu befeuern, damit das umfangreich subventionierte Berlin nicht einen Saug­effekt entwickelt, der Kreative aus der einstmals reichen föderalen Kulturlandschaft in die Hauptstadt lockt. Ihre Darstellung der Literaturszene in und um Hamburg nach dem Tod unseres Flaggschiffes Siegfried Lenz, dem ersten Preisträger des Hannelore-Greve-Literaturpreises, ist aufschlussreich und verdienstvoll. Der Artikel ist auch ein Weckruf an die literarisch engagierten Organisationen, sich dieses Kraftfeldes bewusst zu sein und es weiterzuentwickeln.

Peter Schmidt, Hmb. Autorenvereinigung

AfD ohne Substanz

9. Mai: Bürgermeister Olaf Scholz sorgt mit Stra­te­gie­pa­pier zur AfD für Aufregung

Olaf Scholz hat völlig recht, die AfD in der politischen Landschaft nicht zu ignorieren, sondern sich mit ihr über Inhalte und Lösungen anstehender Pro­bleme auseinanderzusetzen. Zu oft kommt da nur eine lose Hülle zum Vorschein. Mit populistischen Parolen kann man leider sehr weit kommen (siehe Donald Trump) – aber die Sub­stanz bröckelt sehr schnell, wenn es um konkrete Inhalte geht.

Romy Körner, Uetersen

Privatkassen sollen zahlen

9. Mai: Flücht­linge besser versorgen. Ärztekammer-Präsident Montgomery fordert die gleichen medizinischen Leistungen wie bei Kassenpatienten

Natürlich sollen auch Asylbewerber gesundheitlich versorgt werden, aber bitte nicht (nur) zulasten der gesetzlichen Krankenkassen, d. h. der pflichtversicherten Arbeitnehmer, Rentner usw. Da die Asylbewerber keinen Beitrag leisten, sollte die medizinische Versorgung aus Steuergeldern bezahlt werden oder aber solidarisch von allen Krankenkassen, also auch von den Privatkassen, Beamtenkassen usw. und nicht nur von den gesetzlichen Krankenkassen.

Klaus Koch, per Mail

Dank an die Ärzte

Das Patienten-Drei-Klassen-System: Die beste Behandlung, bevorzugte Versorgung und den schnellsten Arzttermin bekommen Privatpatienten. Kassenpatienten sind Patienten zweiter Klasse, müssen oft wochenlang auf einen Termin warten. Letztendlich sind Flüchtlinge Patienten dritter Klasse. Nur bei akuten Erkrankungen haben sie die Chance, ärztlich versorgt zu werden. Ein Dank an alle ehrenamtlichen Ärzte, denn nur durch ihr großes Engagement funktioniert die medizinische Versorgung der Geflüchteten.

Gisela Reimer, per E-Mail

Der Kassenpatient zahlt drauf

Ärztepräsident Montgomery beklagt, es sei nur schwer mit dem ärztlichen Ethos vereinbar, dass sich die Versorgung der Flüchtlinge nur auf akute Erkrankungen beschränke und so der Arzt zum Sozialrichter werde. Er fordert gleiche Leistungen wie für Kassenpatienten schon während des Asylverfahrens. Scheinheilig ist der Vorschlag, denn mein Mann, der privat versichert ist, erhält oft bessere Leistungen als ich, die Kassenpatientin. Ich fordere Herrn Montgomery auf, erst einmal in diesem Feld für gleiche Behandlung zu sorgen, ehe die ohnehin benachteiligten Kassenpatienten zusätzlich für die Flüchtlinge finanziell belastet werden. Ich bin Rentnerin und Kassenpatientin und möchte nicht über meinen Krankenkassenbeitrag Leistungen für Flüchtlinge finanzieren, die nicht unbedingt notwendig sind. In diesem Jahr wurde mein Zusatzbeitrag bereits beträchtlich angehoben. Man kann sich leicht ausmalen, dass er weiter steigen wird, wenn Montgomerys Forderungen Realität würden. Auch hier zeigt sich wieder, dass der „kleine Mann“ für die Flüchtlinge zur Kasse gebeten werden soll.

Jutta Brendel, Norderstedt

Seuche Tourismus

6. Mai: Leben, wo andere Urlaub machen. Warum die Hamburger nicht wegfahren müssen

Hafengeburtstag gut und (meist) wenig schön. Sei’s drum, die Stadt als Bühne der Eventgesellschaft. Dass Reisen bildet, hat vermutlich Johann Wolfgang von Goethe zuletzt erfahren. Der heutige Tourismus hat sich zu einer weltumspannenden Seuche entwickelt. Hans Magnus Enzensberger hat es auf den Punkt gebracht: Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet. Im Michel bin ich erst kürzlich gewesen, bei einem Konzert unserer Philharmoniker mit Musik von Gabrieli, Boulez und Brahms. Die Mahnung, auch einmal wieder auf den Michel zu klettern, nehme ich auch in höherem Alter als sportliche Herausforderung an.

Helgo Klatt, Hamburg