Merkel hatte keine Wahl

16./17. April: Merkels zweiter Fehler. Die Kanzlerin zahlt im Fall Böhmermann für das gute Verhältnis zur Türkei einen hohen Preis

Leider unterliegt auch der Autor der Fehleinschätzung, dass alles, was Journalisten und Künstler von sich geben, von der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt ist. Das ist falsch. Die Presse- und Meinungsfreiheit ist durch Gesetz geschützt. Die Auslegung von Gesetzen obliegt aber ausschließlich den Gerichten, und es ist immer im Einzelfall zu prüfen, ob eine Äußerung von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Da Frau Merkel Bundeskanzlerin und keine Richterin ist, hatte sie meines Erachtens gar keine andere Wahl.

Heinz-Günter Fritsche, per E-Mail

Das Gesetz anwenden

Ein Nein der Regierung zur Eröffnung einer strafrechtlichen Untersuchungsoption wäre eine Steilvorlage für Erdogan gewesen. Wenn wir das nächste Mal die mangelnde Rechtsstaatlichkeit in der Türkei kritisiert hätten, hätte er genüsslich darauf verweisen können, dass wir unsere Gesetze auch danach anwenden, ob es den Regierenden passt oder nicht. Wenn man die derzeit von den Medien entfachte Hysterie um den angeblichen Angriff auf die Freiheit von Meinung und Kunst betrachtet, könnte man auf die Idee kommen, diese Freiheit wäre etwas, was quasi mit Heiligenschein versehen oberhalb jeder Kritik und rechtsstaatlicher Prinzipien schwebt. Das ist absurd. Auch die Freiheit von Meinung und Kunst hat Grenzen. Als bei den Pegida-De­monstrationen ein Galgen mit den Namen von Merkel und Gabriel herumgetragen wurde, gab es einen Aufschrei, dass hier das Recht auf freie Meinungsäußerung überschritten sei. Das Pamphlet von Böhmermann erfüllt diesen Tatbestand aus meiner Sicht genauso. Ob das so ist, entscheiden Gerichte und nicht die Politik.

Bernd Plath, Hamburg

Großer Schaden durch Agenda

16./17. April: Glanz und Elend der SPD. Nicht einmal mehr als 20 Prozent trauen Demoskopen den Sozialdemokraten zu

Gesellschaftspolitisch hat die Agenda 2010 mehr geschadet als genutzt, denn wirklich genutzt hat es nur einem kleinen Teil der Bevölkerung, nämlich den Arbeitgebern. Die Reichen zu fördern und die Benachteiligten zu fordern, das war kein mutiger Schritt, weil sich Rote, Schwarze und Grüne einig waren. Alles, was jetzt als Missstand im Sozialbereich und am Arbeitsmarkt angeprangert wird, geht auf das Konto der SPD (und der Grünen). Minijobs, Leiharbeit, Werksverträge, dazu die Schröder-Rentenreform mit Riester und Altersarmut. So gesehen ist die SPD mit 20 Prozent noch gut bedient.

Werner Lück, Hamburg

Den Wähler verraten

„Nicht einmal mehr als 20 Prozent trauen Demoskopen den Sozialdemokraten zu. Das hat die stolze Partei nicht verdient“, heißt es im Kommentar. Oh doch, sie hat es verdient. Richtig ist, dass die SPD früher eine Partei war, die unter enormem Einsatz für die Rechte der Arbeiterschaft, für Gleichberechtigung und für unsere Grundrechte gekämpft hat. Doch dann kam mit Gerhard Schröders Agenda der größte Verrat an der eigenen Klientel. Diese Reformen zahlen bis heute die weniger Betuchten, früher hießen sie Arbeiterschaft, jetzt sind sie zum Prekariat herabgesunken, ohne festen Arbeitsplatz und ohne ausreichende Altersabsicherung. Dabei darf man nicht die flankierenden Maßnahmen im Zuge der Agenda vergessen: Absenken des Spitzensteuersatzes, Abschaffung der Erbschaftssteuer für Unternehmen und der Erlass von Einkommenssteuer für Gewinne aus Kapitalvermögen, die mit lächerlichen 25 Prozent abgegolten sind. Je länger die betroffenen Menschen dieser Ungerechtigkeit ausgesetzt sind, desto weniger sind sie bereit, SPD zu wählen.

Tom Schoeps, per E-Mail

Bürgerwünsche einbeziehen

16./17. April: Hamburger Stadtgeschichte. Wohin steuert Hamburg?

Im Großen und Ganzen stimme ich Matthias Iken zu: Das Nein-Sagen zu Neubauten hat einen grotesken Schick, gegen den schwer anzukommen ist. Ich begrüße den zunehmenden Wohnungsbau und halte auch einige Leuchtturmprojekte für wünschenswert. Kostenexplosionen wie bei der Elbphilharmonie schrecken aber auch mich ab. Ein weiteres Problem ist die überwiegend kalte und eintönige Architektur der meisten Neubauten, besonders im Wohnungsbau. So sehr man über Geschmack streiten kann, sollten neben der Politik auch Architekt und Bauherr Verständnis für das Stadtbild und die Wünsche der Bürger mitbringen. Allein pur kapitalistisch ausgerichtete oder die Exzentrik des Architekten befriedigende Bauwerke schaffen Fronten.

Christoph Nerger, per E-Mail

Armutszeugnis für Hamburg

16./17. April: Marathon. 16.200 laufen – 800.000 gucken

Es klingt fast wie Hohn, wenn Innen- und Sportsenator Grote ausführt: „Der Marathon ist eine Top-Vorzeigeveranstaltung für Hamburg. Er transportiert ein tolles Bild der Stadt.“ Eine Stadt, die offensichtlich Nachwuchssportler nicht fördern will und sie von der Teilnahme am Grundschülerrennen ausschließt und die keine 20.000 Euro für das Kombiticket übrig hat, aber zuvor 20 Millionen für die Olympiabewerbung in den Sand setzt! Ein Armutszeugnis für die Stadt.

Jutta Wallmann-Jung, Hamburg

Tinos ist nicht zu ersetzen

13. April: Pop­pen­büt­te­ler Dorf-Grie­che hat ge­schlos­sen

Der Autor hat uns aus der Seele gesprochen. Es ist für mich nach wie vor nicht nachvollziehbar und akzeptabel, warum und wozu Tinos schließen musste. Ein bewährtes Familienunternehmen, lecker, authentisch und mit ganz viel Herz. Warum wird zugelassen, dass Poppenbüttel, wie andere Stadtteile auch, bald nur noch von schicken und teuren Läden wimmelt, die kein Mensch braucht (das AEZ bedient ja schon mehr als alle Ansprüche). Was rechtfertigt, dass der Familie Paraschaki die Existenzgrundlage entzogen wird und den Gästen ein Ort der Begegnungen und des Energietankens? Orte wie Tinos sind nicht zu ersetzen!

Sanne Götz, per E-Mail