Absolute Verdrossenheit

8. März: Mit Protest auf Platz drei. Bei der Kommunalwahl in Hessen profitiert die AfD von der Flüchtlingskrise

Jetzt schreien wieder alle etablierten Parteistrategen entsetzt auf und fordern lauthals eine Ausgrenzung und Entlarvung der AfD. Die wahre Ursache für die dramatischen Gewinne der AfD wollen und können sie aber offensichtlich nicht erkennen – ihr ureigenes, ekla­tantes Versagen. Ein monatelanges Herumeiern in der Flüchtlingspolitik, endlose Wortklaubereien um Kontingente oder Obergrenzen, realitätsfernes Beharren auf wirksame Aufnahmequoten für alle EU-Staaten und schnelle Beseitigung der Fluchtursachen usw. Als Krönung Frau Merkels gedankliches Wirrwarr mit ihrer Forderung nach einem Ende der Politik des Durchwinkens, um vor dem EU-Gipfel dann aber eine Schließung der Balkanroute abzulehnen. All das treibt die Menschen in die Arme der AfD oder zu den Nichtwählern. Letztere ein deutliches Indiz dafür, dass wir es weniger mit einem Rechtsruck zu tun haben, sondern vielmehr mit einer absoluten Verdrossenheit an der etablierten, nicht sachorientierten Politik.

Manfred W. H. Kuhlmann, Hamburg

Wie ein Pandabär

3. März: Leitartikel. Lob der Kanzlerin

Wenn die vorsichtig gewählten Worte zu einem Verbleib der Flüchtlinge in Griechenland denn tatsächlich als ein „Umlenken“ der Kanzlerin zu interpretieren sind, so muss man auch sagen, dass es die österreichischen Spitzenpolitiker waren, die Frau Merkel hilfreich ins Lenkrad gegriffen und sie damit quasi gerettet haben. Chapeau Öster­reich! Ein kleines Land mit einer entschlossenen, auch für die EU wirkungsvollen Flüchtlingspolitik und mit berechtigten Forderungen an die EU. Das ist aber auch gleichzeitig ein merkwürdiger und erschreckender Kontrast zur Politik eines großen Landes (Deutschland), das bis heute immer noch eher wie ein unsicherer und unbeholfener Pandabär gegenüber der EU auftritt, ohne seine eigenen Interessen zu vertreten. Und wie vehement vertritt Griechenland seine Interessen. Wenn aber Österreich und den Balkanstaaten einfallen sollte, den Korken wieder von der Flasche zu nehmen, werden erneut Zehntausende Flüchtlinge nach Deutschland strömen.

Norbert Schelper, per E-Mail

Wir sind nicht in Oberfranken

3. März: Gefährdet Abriss der
City-Hochhäuser das Welterbe?

Sehr geschätzter Herr Professor Marg, Ihr Architekturbüro zählt zu den Besten weltweit – und soll jetzt wegen eines Verfahrensfehlers von dem Wettbewerb um die City-Hof-Häuser ausgeschlossen werden? Es geht doch nicht um die Platzgestaltung einer 1000-Seelen-Gemeinde in Oberfranken. Ob Hamburg nun beim Welterbe geschummelt hat oder nicht, ist doch vollkommen gleichgültig; dasselbe gilt für den „Verfahrensfehler“, den man Ihnen bei Ihrem Wettbewerbsentwurf meint vorwerfen zu können. Ich schätzte die Familie Prien sehr, und doch muss es erlaubt sein, die grobe Einfallslosigkeit des Prien-Entwurfs nicht nur zu kritisieren, sondern als plumpe Entgleisung an dieser städtebaulich so prägnanten Stelle zu bezeichnen. Sie haben es dagegen geschafft, mit relativ wenig Mitteln aus den tristen Kästen der Nachkriegszeit einen eleganten Riegel zu schaffen, der sowohl als Tor zum Kontorhausviertel fungiert als auch das Bahngelände optisch in den Hintergrund treten lässt – dieses von Ihnen neu interpretierte Ensemble wird eine Freude für das Auge all derer sein, die zu Tausenden jeden Tag an diesem städtebaulich so wichtigen Komplex vorbeifahren.

Holger Reiners, Reiners Stiftung

Merkels Herkulesaufgabe

5./6. März: Leserbrief der Woche:
Frau Merkel verdient Respekt

Es ist sehr erfreulich, dass den im Leserbrief vertretenen ethischen, politischen und rechtlichen Auffassungen endlich einmal ein angemessen breiter Raum gegeben wurde. Man war nach der Flut von oft einseitigen, mitunter auch sehr aggressiven Meinungsäußerungen in Politik, Foren, aber auch in Zeitungen schon langsam im Zweifel, ob noch die für unsere Demokratie erforderliche Pluralität von Meinungen abgebildet wird. Selbst wenn die Bundesregierung mit ihren Bemühungen auf europäischer Ebene keinen Erfolg haben sollte, hat sie bislang das ihr Mögliche getan, um das Flüchtlingsproblem als gesamteuropäische Aufgabe zu bewältigen und zugleich die EU in ihrer bisherigen Form zu erhalten. Das ist eine Herkulesaufgabe, die sich so bislang noch nie gestellt hat. Man sollte insbesondere auch den unermüdlichen Einsatz von Frau Merkel und ihr Standing gegenüber verschiedensten Gegnern dankbar zu schätzen wissen. Ein solches Format haben nicht viele.

Dr. Thomas Weise, per E-Mail

Kluge Worte

Herrn Klaus Mairhöfer Respekt, Anerkennung und besonderen Dank für seinen klugen, die Tatsachen auf den Punkt bringenden Brief. Vermutlich wird Frau Merkel am Egoismus Europas scheitern: auf einem Niveau, das für die meisten – machtorientierten – Politiker zu hoch ist.

Katja M. Hassler, per E-Mail

Obergrenze erlauben

Bevor man sich auf das Grundgesetz beruft, wäre es vorteilhaft, es erst einmal zu lesen. Darin heißt es: „Wer politisch verfolgt ist, genießt Asyl.“ Anfang der 90er-Jahre wurde es erweitert um den Zusatz, dass derjenige, der aus einem sicheren Drittland zu uns kommt, dahin zurückgeschickt werden kann. Damit fällt der allergrößte Teil der Flüchtlinge des vergangenen Jahres nicht unter den Schutz des Grundgesetztes. Die Genfer Flüchtlingskonvention erweitert zwar die Fluchtgründe auf religiöse, rassistische etc. Verfolgung, aber eben nicht für Bürgerkriegsflüchtlinge. Außerdem enthält sie auch die „Unmittelbarkeit“, also nicht die Flüchtlinge, die über zig andere sichere Länder zu uns kommen. Also fällt der allergrößte Teil der Flüchtlinge weder unter den Schutz des Grundgesetzes noch unter die Genfer Flüchtlingskonvention. Warum helfen wir also? Nicht aus einer gesetzlichen Pflicht heraus, sondern aus humanitären Gründen. Und dafür ist sehr wohl eine Obergrenze erlaubt und angebracht, wenn dadurch die Umsetzung in Zukunft gewährleistet werden kann.

Jürgen Jeschke, Norderstedt