Enttäuschender Gipfel

2. November: Streit um Tran­sit­zo­nen – Gipfel von Merkel, Seehofer und Gabriel ist ge­schei­tert

Der Koalitionsgipfel vom Wochenende, der von allen mit großen Hoffnungen auf vernünftige Lösungen erwartet wurde, war eine einzige Enttäuschung. Anstatt eine gemeinsame vernünftige Lösung des drängenden Flüchtlingsproblems zu erreichen, wie man es von einer Großen Koalition eigentlich erwarten kann, hat jeder nur sein eigenes Süppchen gekocht. Bundeskanzlerin Merkel hat sich zumindest auf einen Minimalkonsens mit der CSU eingelassen und ist nun auch für Transitzonen: Gott sei Dank – denn die von der SPD ins Gespräch gebrachten dezentralen Registrierungs- und Einreisezonen sind keine Lösung. Flüchtlinge, die erst einmal in Deutschland sind, werden so schnell auch nicht bereit sein, dieses gelobte Land wieder zu verlassen. Die Zeit drängt, sonst wächst uns die Situation über den Kopf, und Rechte und die AfD erhalten weiteren Zulauf.

Helmut Jung, Hamburg

Wir leben im Überfluss

2. November: Hilfe ohne Ende. Eindrucksvolle Bilder aus den Hamburger Messehallen belegen die Spendenbereitschaft der Bürger in der Hansestadt

Seien wir doch ehrlich: Sachspenden dokumentieren auch, was wir nicht mehr brauchen. Es ist gut, wenn uns die bittere Not der zu uns geflohenen Mitmenschen dazu drängt, auszusortieren, was wir nicht mehr brauchen, und dieses dann auch zu den Sammelstellen zu bringen, wo alles von engagierten Ehrenamtlichen sinnvoll verteilt wird. Die Bilder aus den Messehallen legen aber auch den Finger in eine Wunde und zeigen, wie wir im Überfluss leben. Wir alle wissen, dass das nur auf Kosten der zu Hungerlöhnen arbeitenden Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern möglich ist, die sich mit dem, was sie dafür als Lohn bekommen, nicht selbst aus dem Sumpf ihrer Armut herausziehen können. Sind das die Flüchtlinge von morgen, die hier an unserem Wohlergehen und Überfluss teilhaben wollen? Es ist unerlässlich, dass wir unsere aktuellen Erfahrungen für die Gestaltung einer gerechteren Welt nutzen.

Uwe-Carsten Edeler, Hamburg

Grenzwertiger Tonfall

31. Oktober/1. November: Reaktionen auf den Leserbrief ,An die Kandare nehmen‘ zum Artikel ,Anwohner stoppen Bau von Flüchtlingsunterkunft‘ vom 29. Oktober

Die Enttäuschung und wütende Verzweiflung über die Klein Borsteler mag man nachvollziehen. Allerdings ist der Tonfall grenzwertig. „Egozentrische Sorte rechtsbeugender ziemlich beschränkter Anwohner“? Wieso Rechtsbeugung? Beschränkt? Eine krasse Diagnose. „An die Kandare nehmen“ ist aus dem Wortschatz eines Tattersalls. Das sollte man schon Pferden nicht antun.

Hans-Emil Schuster, Hamburg

Gelebte Demokratie

Ich bin froh, in einer Demokratie und in einem funktionierenden Rechtsstaat mit unabhängigen Gerichten leben zu dürfen. Wir können unseren Nachbarschaftsstreit, wenn nötig, vor einem unabhängigen Gericht klären lassen. Wir Verbraucher können unsere Rechte gegenüber der Industrie vor Gericht einklagen. Arbeitnehmer können gegen ihren Arbeitgeber klagen, und die freie Wirtschaft kann Streitfälle mit Gemeinden, Kommunen und dem Land vor Gericht klären lassen. Wir können uns des Weiteren gegen den Ausbau von Autobahnen, Flughäfen und Strommasten vor Gericht wehren. Mit Schrecken muss ich jetzt in einem Leserbrief lesen, dass es Menschen gibt, die diese bürgerlichen Rechte und die unabhängigen Gerichte erheblich einschränken möchten und die Kläger gerne „an die Kandare nehmen möchten“. Wer unsere unabhängige Rechtsprechung beeinflussen möchte, begibt sich hier auf sehr, sehr dünnes Eis. Denn auch Behörden, egal mit welchen Maßnahmen, unterliegen zum Glück dem Rechtsstaat.

Volker Schlesiger, per E-Mail

Realistischer Blick

17./18. Oktober: ,Wer eine Grenze schützen will, braucht einen Zaun‘ – Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi über die Flüchtlingskrise und Fehler der Medien

Ein sehr interessantes Interview mit Klaus von Dohnanyi. Ein kluger, von Pragmatismus und Realitätssinn geprägter Blick auf die internationale Lage und die hiesigen engstirnigen Aus­ein­andersetzungen, welche zurzeit den Ton in Deutschland angeben. Wer jemals an die Verleihung der Ehrenbürgerschaft an unseren ehemaligen Ersten Bürgermeister gedacht hat, kann diesen Gedanken wohl jetzt endgültig begraben. Seine Gedankenführung wird dem „Juste Milieu“ heutiger Ausprägung nicht passen. Das gilt auch für die von Maßlosigkeit gezeichnete herrschende Meinung über Ungarn, der sich von Dohnanyi entschieden widersetzt. Gerade nach seiner Amtszeit zum hanseatischen Staatsmann gereift, gelangt der Politiker auch ohne Ehrenbürgerwürde auf die Stufe herausragender Sozialdemokraten der Nachkriegszeit wie Max Brauer und Herbert Weichmann.

Peter D. Schmidt, Wedel

Schaden für Deutschland

15. Oktober: Po­li­ti­sche Ver­wer­fun­gen. Merkels Machtstellung beginnt zu bröckeln. Die Flüchtlingskrise setzt Union wie SPD zu

Mittlerweile sind sowohl die CDU als auch die SPD so gespalten wie die gesamte deutsche Gesellschaft. Matthias Iken weist zu Recht darauf hin, das Merkel entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit in der Flüchtlingskrise nicht „vom Ende her denkt“. Andere politische Parteien feiern immer noch die „kulturelle Bereicherung“ Deutschlands durch den unbegrenzten Zustrom von Flüchtlingen, und die Wirtschaft reibt sich die Hände in Erwartung neuer Aufträge und Arbeitskräfte. Aber: Haben die politisch Verantwortlichen auch den Schaden auf der Rechnung, der dadurch entsteht, dass Deutsche vor dem Hintergrund der für sie zu rasanten Entwicklung ihrem Land „innerlich kündigen“? Werden zukünftige Generationen verstehen, warum wir die jetzt kaum noch aufzuhaltenden gravierenden sozialen und kulturellen Veränderungen unserer Gesellschaft in so kurzer Zeit zugelassen haben?

Norbert Schäfer, per E-Mail