Der Schlichter

17./18. Oktober: ,Wer eine Grenze schützen will, braucht einen Zaun‘ – Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi über die Flüchtlingskrise, die Kritik an Ungarn und Fehler der Medien

Wieder einmal hat sich Herr von Dohnanyi als Mann des Über- und Weitblicks mit unbeirrbarem Urteilsver­mögen erwiesen, das sich nicht vom politischen Mainstream mitreißen lässt. Mutig und fundiert sagt er seine Meinung. Er wäre vielleicht der ideale „Schlichter“ zwischen Pegida/AfD-Anhängern und der derzeitigen politischen Führung in Deutschland, sodass beide Seiten aufwachen.

Peter M. Lange, per E-Mail

Auf den Punkt

Ein tolles Interview. In einer Zeit täg­licher Informations-Tsunamis hat Herr von Dohnanyi zu allen aktuellen Themen den Punkt getroffen. Aus meiner Sicht sind zwei Aspekte wesentlich und weiterer Analysen wert: der gesamtgesellschaftliche Umgang (Streitkultur) mit und die Akzeptanz von Meinungen außerhalb des Mainstreams sowie das mangelnde Selbstbewusstsein der Deutschen/Europäer und die damit verbundene Abhängigkeit von den USA. Nachdenkenswert sind die letzten beiden Sätze. Mehr davon.

Günther Knuth, Reinbek

Verrannt

Unser ehrwürdiger Altbürgermeister von Dohnanyi muss m. E. langsam aufpassen, dass er sich in Sachen Viktor Orbán nicht fürchterlich verrennt. Ich weiß nicht, ob er Ungarisch spricht – ich spreche Ungarisch, lebe zwei bis drei Monate im Jahr dort, habe viele Bekannte dort, auch meine Mutter lebt im Land. Ich kann also im Original lesen, was Orban sagt und was ungarische Journalisten in den nur noch wenigen kritischen Zeitungen schreiben. Orbans Verteidigung der EU-Außengrenze ist ein guter Aufhänger bzw. Fassade. Das Land Ungarn ist in höchstem Maße xenophob – wie auch die übrigen ehemaligen Ostblockländer, einschließlich unserer östlichen Bundesländer. In Wahrheit will Ungarn überhaupt keine Flüchtlinge, das ist das Hauptziel der orbanschen Politik. Fremde – nein danke; Dunkelhäutige – um Gottes Willen; Muslime – sind doch alle Terroristen. Flüchtlinge wurden an der Grenze von Fernsehreportern getreten, in Käfige gesperrt, in die Polizisten Lebensmittelstücke hineinwarfen – wie im Zoo. Orbans Politik und die allumfassende Propaganda (Vorbild: Russland) bewirken eben, dass die Flüchtlinge quer durch die ungarische Gesellschaft hasserfüllt als „kulturlose Tiere“ (Originalton einer ungarischen Bekannten) betrachtet werden.

Thomas Jobst, Hamburg

Realistische Position

Mit diesem Artikel beginnen auch Sie, in der Berichterstattung über das Asylanten-Desaster zu differenzieren. Viel mehr derartig realistische Positionen müssen publiziert werden. Nur so wird der dringend benötigte Druck erzeugt, damit endlich das geschieht, was Verantwortliche bei Amtsantritt geschworen haben, zum Wohl des deutschen Volkes zu wirken. Nicht zu unterschätzen und fahrlässig ist es, die steigende Wut der Bevölkerung zu unterschätzen und sie reflexartig in eine rechtsradikale Ecke zu stellen. Das Ignorieren der öffentlichen Stimmung, die gern mit der Willkommensgeste einer Minderheit dargestellt wird, ist der falsche Weg. Die Realität ist, das nicht viele es wagen, sich öffentlich zu äußern. Sie werden sich anders artikulieren.

J. Geisler, Hamburg

„Terror der Empathie“

Es tut unendlich gut, ja, es ist Balsam für die Seele, endlich mal ein Interview zu lesen, das mit würdevoller Weisheit und Lebenserfahrung punktet und nicht damit, Menschen zu diffamieren, die für sich in Anspruch nehmen, auch ihrer Empathie Grenzen setzen zu wollen. Denn ohne Grenzen verliert jeder von uns an Kraft und Klarheit. Das betrifft auch das Mitleiden mit anderen; ich kann nicht jeden Krisenherd dieser Welt löschen. Das muss ich Gott überlassen. Was Klaus von Dohnanyi über Ungarn sagt, ist sehr differenziert und beeindruckt mich, weil man es eben nicht mehr so ohne Weiteres sagen kann, ohne damit rechnen zu müssen, einen „Shitstorm“ loszutreten – die Redefreiheit (in der Antike war das griechische Wort „Parrhesia“ zentral) leidet auf sehr subtile Weise in dieser Gesellschaft, die meint, sich auf die Demokratie berufen zu dürfen. Wenn die anfänglich gesunde Nächstenliebe mutiert in einen Zwang, anderen helfen zu müssen und die eigenen Bedürfnisse nicht mehr wahrnehmen zu dürfen, dann helfe ich nicht mehr, dann stelle ich mich mit meiner Hilfe nur in den Vordergrund und errichte einen „Terror“ unter dem Deckmantel des Altruismus, der jeden, der sich davon abgrenzen will, als „kaltherzig“, „egoistisch“ und „unsozial“ denunziert. Das ist dann nicht mehr der revolutionäre „Terror der Vernunft“, sondern der „Terror der Empathie“ des Medienzeitalters.

Sebastian Dégardin, Hamburg

Beherzigen

Welch eine Wohltat, diesen Artikel zu lesen, der nichts, aber auch gar nichts auslässt. Man kann nur hoffen, dass eine möglichst große Anzahl unserer aktiven Politiker ihn nicht nur liest, sondern auch beherzigt. Realität ist gefragt bei der Lösung von Problemen, deren Ausmaß ganz offensichtlich von den meisten Menschen noch gar nicht erkannt wird.

Peter Holk, per E-Mail

Fakten unterdrückt

Herrn von Dohnanyi hätte ich eine differenziertere Betrachtung zugetraut. Das völkerrechtlich verbindliche Dublin-Abkommen verlangt die Bearbeitung für Asylanträge im Land der Ersteinreise. Hat Herr von Dohnanyi vergessen, dass die ungarische Regierung u. a. mit brutalen Polizei- und Militäreinsätzen dafür sorgte, dass Not leidende Flüchtlinge in Massen gnadenlos nach Österreich und Deutschland getrieben wurden? Sind alle Berichte über zutiefst rassistische Äußerungen von Herrn Orban, insbesondere seine Ablehnung der Zuwanderung von Muslimen und seine absurde Schuldzuweisung an Frau Merkel, den Flüchtlingszustrom ausgelöst zu haben, verdrehte Übersetzungen? Die Argumentation, die Herr von Dohnanyi liefert, unterdrückt in Teilen m. E. Fakten, die die ungarische Politik als EU-Mitglied in ganz schlechtes Licht rückt.

Volker Deising, per E-Mail