Behörde trägt Mitschuld

18. Juni: Be­wäh­rungs­strafe für falsche Lehrerin. 50-Jährige unterrichtete, ohne studiert zu haben. Schleswig-Holstein will Gehalt zurück

Eine abstruse Köpenickiade mit vielen Beteiligten, fürwahr. Ein dreister Betrug, der bestraft werden muss. Aber warum wird nur die falsche Lehrerin zur Rechenschaft gezogen, und warum muss die Frau ihr gesamtes Gehalt zurückzahlen? Immerhin hat sie mit der Genehmigung und auf Geheiß der Behörden dafür Arbeit verrichtet. Vielleicht sollten all diejenigen, die ihr das durch ihre Unachtsamkeit ermöglicht haben, zusammenlegen, um für die so entstandene Peinlichkeit Buße zu tun.

Uwe-Carsten Edeler

Kurz und knackig hinter Gitter

17. Juni: Hamburgs Richter über­las­tet – zu milde Urteile, Straf­tä­ter frei. Juristen schreiben Alarmbrief an Justizsenator Till Steffen

Insbesondere für die Opfer von Straftaten ist die gegenwärtige Situation unerträglich. Mit einer ausreichenden Anzahl von Strafrichtern gäbe es keine Begriffe wie Wiederholungs-, Mehrfach- oder Intensivtäter, und notorische Kriminelle könnten durch schnelle Urteile vielleicht sogar dazulernen. Insbesondere bei jugendlichen Wiederholungstätern ist zu erwarten, dass eine schnelle Verurteilung einen Lerneffekt haben würde. Wie ein Wuppertaler Jugendrichter mal treffend sagte: Lieber kurz und knackig hinter Gitter als immer nur Bewährungs-Wischiwaschi.

Stefan Bick

Geldgeber am Nasenring

17. Juni: Wer hilft Grie­chen­land hoch?

Im Schuldendrama geht es aufs Finale zu. Nächstes Treffen der Euro-Gruppe an diesem Donnerstag

Niemand wird Griechenland hoch helfen können, das muss Griechenland schon selbst tun, durch Austritt, Einführung einer abgewerteten neuen Währung und Anpassung der Strukturen an ein normales Staatswesen. Eine Rettung vor einer Staatspleite ist ausgeschlossen, es sei denn, wir und die anderen Geldgeber finden sich damit ab, diesen Staat dauerhaft zu subventionieren. Das kommt einem jahrzehntelangen Sanierungsfall gleich, leider auch dann ohne Happy End. Griechenland wird seine Schulden niemals zurückzahlen können, das Geld ist weg, jeder weitere Euro wäre ebenfalls verloren. Diese Politik war von Anfang an falsch, denn ohne funktionierende Verwaltung ist eine Gesundung nicht möglich. Warum lassen sich die Geldgeber eigentlich so am Nasenring vorführen? Wir sollten die Verhandlungen einstellen, Fehler eingestehen und Griechenland dazu zwingen, ihr Land durch eigenes Tun zu sanieren. Es wird wohl ein Jahrzehnt benötigen und schmerzhafte Einschnitte abverlangen, aber dieses Dilemma ist von den Griechen ja auch selbst verschuldet.

Herbert Stephan

Angeklagter stigmatisiert

17. Juni: ,Die Familie ist in Schock­starre‘. Drei Jahre Jugendhaft für Sanel M., der mit seiner ,Ohrfeige‘ für den Tod von Tugçe verantwortlich ist

Es ist ausgesprochen begrüßenswert und angebracht gewesen, dass der Vorsitzende Richter mit deutlichen Worten die Medien sowie einige Vertreter höchster Staatsämter in ihre Schranken verwiesen und scharf dafür kritisiert hat, vorschnell den Stab über einen Angeklagten zu brechen. Es muss verdeutlicht werden, dass es nicht angängig ist, Vorverurteilungen auszusprechen. Aus dem Fall Wulff scheint man nichts gelernt zu haben. Die Folgen einer derartigen Berichterstattung stigmatisieren nicht nur insbesondere einen jugendlichen Angeklagten, sondern sie erschweren auch die gebotene Sachaufklärung.

Dr. Claus Rabe

Mildes Urteil durch Revision?

Es gab ein erstinstanzliches, bisher nicht rechtskräftiges Urteil; der Fall Tugçe ist damit noch lange nicht beendet. Wie mittlerweile in jedem öffentlichkeitswirksamen Strafgerichtsprozess kündigt auch hier die Verteidigung schon einmal vorsorglich Revision an, obwohl die Voraussetzungen für die Annahme von Revision beziehungsweise Überprüfung eines Urteils eher eng gesteckt sind. Diese oft vollmundigen Ankündigungen vermitteln der Öffentlichkeit – wie auch dem Beklagten – den falschen Eindruck, dass in der nächsten Instanz grundsätzlich ein milderes Urteil ergehen wird. In der Realität wird eher ein geringer Prozentsatz der Urteile zur Überprüfung angenommen und führt nicht immer zur erhofften Verbesserung der Lage des Beklagten. Leider hört der Leser zu wenig über das schlussendlich rechtskräftige Urteil eines anfänglich spektakulären Strafprozesses.

Marion Schlichting-Erb

Regeln gelten für alle Bürger

16. Juni: CDU: Fahrraddemos inakzeptabel. Monatliche Critical-Mass-Touren müssten angemeldet werden, fordert der Abgeordnete Lenders

Die Ziele der Critical-Mass-Demos sind berechtigt und kommen auch originell daher. Doch man sollte näher hinsehen: Als passionierter Radfahrer und ebenso begeisterter Autofahrer nehme ich Rücksichtnahme und Rücksichtslosigkeit auf beiden Seiten gleichermaßen wahr: Autofahrer, die Radfahrern den Weg abschneiden und sie bedrängen, ebenso wie militant-aggressive Radler und Radlerinnen. Im Interesse eines vernünftigen Miteinanders ist es durchaus Aufgabe der Polizei, auf die Einhaltungen gewisser Regeln zu achten. Und hier gibt es ein gesellschaftliches Problem: Die Political-Correctness-Bewegung achtet zwar penibel und peinlich auf die Einhaltung aller ihr wichtig erscheinenden Bestimmungen. Doch bei Regelüberschreitungen der eigenen Klientel – die Critical-Mass zählt ohne Frage dazu – reagieren die „politisch Korrekten“ merkwürdigerweise milde und großzügig. Kurzum: Der CDU-Abgeordnete und Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders, hat den Finger in eben diese Wunde gelegt. Der Aufschrei der „politisch Korrekten“ kam postwendend. Doch Lenders fordert kein Verbot der Fahrraddemos, sondern nur die Beachtung der Regeln des Versammlungsrechts und der Straßenverkehrsordnung, so wie sie für jeden Bürger gelten. Mit Scheinheiligkeit und Law-and-Order hat das nichts zu tun.

Gerd Tiedemann