Beklagenswerter Vorfall

24. März: „Der Rauswurf. Streit um Turbo-Abi: Schulexperte Walter Scheuerl muss die CDU-Fraktion verlassen. Fraktionschef nennt sein Verhalten ‚verantwortungslos und illoyal‘“

Die von der Hamburger Verfassung vorgesehenen Instrumente der Bürgerbeteiligung ermöglichen es, dass ein selbst ernannter Schulexperte wie Walter Scheuerl nicht nur die auf demokratisch und rechtsstaatlich einwandfreiem Weg zustande gekommenen Entscheidungen der Regierung ad absurdum führt, sondern selbst eine politische Rolle über die Volksinitiative hinaus spielt, die durch keinerlei demokratischen Entscheidungsprozess legitimiert ist. Es ist ein unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel beklagenswerter Vorfall, dass Walter Scheuerl eine Heimat in der CDU-Fraktion angeboten wurde, obwohl er selbige offen verhöhnte. Zumindest das Ende dieses unwürdigen Vorgangs ist konsequent.

Dr. Tim Schurig

Seltenes Baujuwel

24. März: „‚Weißes Haus‘ weicht Glaspalast. Villa des verstorbenen Claus Grossner an der Elbchaussee soll abgerissen werden“

Wer veräppelt hier wen, das Hamburger Kaufmannsehepaar den Altonaer Bauausschuss oder beide zusammen die Öffentlichkeit? Wer sich als Ehepaar mit zehn Millionen Euro in Toplage eine repräsentative Heimstatt leisten möchte, könnte das kaum besser tun, als sich dieses Haus wiederherzurichten. Der geplante Allerweltsbau ist hingegen eine der inzwischen leider vielen typischen Elbhang-Wohnschachteln mit drei aufeinandergetürmten Luxuswohnungen, die zusammen in der Lage natürlich mehr bringen als diese Villa nach aufwendiger Sanierung. Der eingereichte Grundriss mag zwar noch eine Einzelwohnung zeigen, aber es kann gewettet werden, dass die Pläne für getrennte Etagenzugänge und ein Treppenhaus bereits in der Architektenschublade liegen. Vielleicht wird das Ehepaar da sogar einziehen, aber die beiden anderen Wohnungen werden das Projekt komplett bezahlen. Toller Deal, aber Hamburg hat ein viel zu seltenes Baujuwel weniger, und keiner will das dann geahnt haben. Dabei kann das jeder sehen, der das sehen will.

Wolfgang Ahrens

Traurige Realsatire

Hamburgs architektonische Niveauspirale nimmt volle Fahrt nach unten auf. Teure Gutachten zum Erhalt des spezifischen Charakters der Elbchaussee – alles Makulatur. Versprechen von Bezirk und Stadtplanung hierzu? Längst vergessen, ignoriert und durch Dummheit sabotiert. Der Umgang mit dem kulturellen Erbe der Elbchaussee ist traurige Realsatire, aufgeführt von drei schlechten Akteuren: Auftraggeber, Architekt und zuständige Behörde. Es ist hohe Zeit, einen endgültigen Nachruf auf den verlorenen Glanz der Elbchaussee zu schreiben.

Holger Reiners

Fassungslos

Ich bin in nicht zu beschreibender Weise fassungslos und gleichermaßen traurig darüber, was ich in diesem Beitrag lesen musste. Wie kann eine Hamburger Behörde nur so kurzsichtig sein, für diese erhaltenswerte Villa an der Elbchaussee die Abrissgenehmigung zu erteilen, und das obendrein noch mit Zustimmung des Amts für Denkmalschutz? Hat man denn in den Fachbehörden Hamburgs noch immer nicht kapiert, was zu dem Besuchermangel in der HafenCity geführt hat, nämlich die eintönige und sogenannte moderne Architektur? Hat man denn überhaupt nicht zur Kenntnis genommen, aus welchem Anlass gewerbliche Mieter dem Areal zunehmend den Rücken kehren, weil sie keine geschäftliche Perspektive sehen? Ich spreche dem Amt für Denkmalschutz, der Stadtentwicklungsbehörde und dem Oberbaudirektor jegliche Sensibilität ab und appelliere dringend an deren Adresse, ihren Entscheid zu revidieren, sodass dieses Kleinod an der Elbchaussee nicht der Abrissbirne zum Opfer fällt, um für einen stilistisch unpassenden und ausdrucklosen Neubau „mit viel Glas und Stein“ Platz zu machen. Davon haben wir wirklich schon genug Exemplare in der HafenCity und der Großen Elbstraße in Altona.

Egon Brühl

Öffentliche Fernsehstuben

24. März: „Verteidigung des Stammtisches. In Deutschland sterben die Kneipen in einem rasanten Tempo“

Nahezu alle Kneipen in meiner Umgebung in Eimsbüttel wurden zu öffentlichen Fernsehstuben eines Sportsenders umgewandelt. Wegen der Belästigung durch die nahezu täglichen Fußball-Übertragungen trinke ich mein Bier nur noch in Gaststätten ohne Fernseher. Die sind leider recht selten geworden.

Thomas Krull

Aus der Seele gesprochen

Ein Artikel, der mir aus der Seele gesprochen hat. Die Gründe sind alle richtig aufgezählt. Es fehlt allerdings ein Grund, der eine gewichtige Rolle spielt: die Rauchverbote, die seit einigen Jahren die Gäste davon abhalten, in die Kneipe zu gehen. Sei es nur das Feierabendbier, die gemütliche Runde oder die Kegelvereine, die sich aufgelöst haben, weil die Raucher immer wieder für einen Moment vor die Tür mussten und die Geselligkeit stark darunter litt. Obwohl es auch für die Nichtraucher okay war, wenn geraucht wurde. Aber diese Gesetze sind ja einzuhalten, und das im Vorwege prognostizierte Kneipensterben wurde ignoriert.

Frank Wulf

Energiepolitik neu abwägen

24. März: „Besuch in der Ukraine: Außenminister Steinmeier warnt Putin. Gespräch auch mit Oligarchen und Rinat Achmetow“

Herr Steinmeier hat gegenwärtig aus wirtschaftlichen und politischen Gründen zum Warnen nicht viel in der Hand. 30 Prozent unseres Erdgases kommen aus Russland, und Putin nutzt dieses Machtmittel politisch und finanziell. Wir müssen in unserer Energiepolitik neu abwägen: Wo sind die Risiken höher? Putin am Gashahn oder eine höhere Eigenförderung von Gas, auch durch Fracking nach eigenen Sicherheitsstandards? Der Hinweis auf Absatzeinbußen von westlicher Seite wird Russland eher zurückhaltend machen als Boykottdrohungen, die niemand einlösen möchte.

Dr. Reinhard Behrens

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