"Ansichtssache" von Matthias Iken: "Bürgerbegehren wie bei St. Florian", Hamburger Abendblatt, 12. November

Unregierbar

Ihrem Artikel zum Thema Bürgerentscheide kann ich nur in vollem Umfang zustimmen. Wie es der Zufall - oder die gleiche Denkrichtung - will, habe ich den anliegenden - im Tenor mit Ihrer Sicht identischen, in der Wortwahl etwas deftigeren - Leserbrief an das Abendblatt geschrieben. Leider gehören wir aber wohl einer Minderheit an, die logische Schlussfolgerungen auch dann zieht, wenn der Mainstream dem entgegensteht. Wir werden sicher mit unseren Äußerungen nicht dazu beitragen, dass der Unsinn, der hier verzapft wurde, wieder rückgängig gemacht wird. Irgendwann werden auch die euphorischen Vertreter der direkten Demokratie merken, dass diese Gesetzgebung ein weiterer Schritt war, unser Staatswesen unregierbar zu machen. Hoffen wir, dass es dann nicht zu spät ist.

Jürgen Schmidt, per E-Mail

Lokaler Egoismus

Herr Iken mag in mancher Hinsicht recht haben, wenn es um Egoismus pur in lokalen Zusammenhängen geht. Ganz anders sieht es aus, wenn Gewählte einer Stadt drauf und dran sind, die städtische Wasserversorgung an einen Konzern zu verhökern und schon die Unterschriftensammlung zur Einleitung eines Bürgerentscheids ausreicht, um ihnen zur besseren Einsicht zu verhelfen. Auf nationaler Ebene finde ich Elemente direkter Demokratie noch wichtiger. Vor jeder Abstimmung wird das Für und Wider der zur Debatte stehenden Fragen gleichgewichtig dargestellt mit dem Ergebnis, dass Bürger sich eine ausgewogene Meinung bilden können. Wo gibt es das unter den heute herrschenden Bedingungen? Wo zum Beispiel Politik unter fürsorglicher Beratung durch bankrotte Banker die vielen in Haftung nimmt für das Versagen der wenigen? Auf dass sie sich auch nach dem nächsten Krach wieder rauskaufen lassen?

Heinrich Triebstein, per E-Mail

Mit aller Kraft

Ich kann nur für den Buchenhof-Wald sprechen. Hier versucht der Bezirk mit aller Kraft einem bestimmten Investor ein Schnäppchen zuzuschanzen und beruft sich dabei auf Gesetzeslücken von einem Gesetz aus 1938 und einem recht frischen vom CDU-Senat verabschiedeten Gesetz. Wo sind denn in diesem Verfahren Einzel- und Gemeininteressen abgewogen worden, wo ist da der St. Florian, wenn die Bürgerinitiative und über 40 000 Einwohner Altonas einfordern, dass auch dieses Vorhaben mit den in Bundesgesetzen vorgeschriebenen Planungsinstrumentarien geplant wird? Die Abwägungsprozesse sind dort gut vorgegeben.

Philip Cramer, Bürgerintiative "Rettet den Buchenhof-Wald", per E-Mail

Unbequem

Wenn Bürgerbegehren unbequem sind, dann im Grunde doch nur, weil sie auf den Punkt formuliert sind und sie das in der Politik übliche Geben und Nehmen mangels Einblicks nicht berücksichtigen. Man müsste die Bürger und die Medien also über die Zusammenhänge bestimmter Entscheidungen aufklären. Das mag beim politischen Personal Frust auslösen, aber das muss es aushalten nach 60 Jahren Demokratie. Wir Bürger müssen unseren Frust über die reale Politik ja auch aushalten. Hören wir auf, jedes Bürgerbegehren penibel zu hinterfragen.

Klaus Landahl, per E-Mail

Sand im Getriebe

Der Mann hat recht. In der Tat: Die Bürger stören nur. Sie sind Sand im Getriebe der Behörden, sie durchkreuzen den Willen der Politiker. Am besten, man würde alle diese Initiativen abschaffen und die Bürger gleich mit. Dann könnten die Politiker in stiller Eintracht mit den Behörden ihre Leuchttürme bauen, Universitäten verschieben, Krankenhäuser verkaufen. Zu Recht fordert Matthias Iken das Abwägen von Einzel- gegen Gemeininteressen. Interessant ist nur, dass sich alle drei von ihm erwähnten Bürgerinitiativen genau das zum Ziel gesetzt haben. Alle engagieren sich für Gemeininteressen, alle kämpfen gegen die Interessen eines einzelnen Investors, dem man es natürlich nicht verübeln kann, wenn er zunächst an sich denkt.

Lucian Neitzel, Bürgerinitiative "Hände weg vom Niendorfer Gehege", per E-Mail

Gelebte Demokratie

Ihr Verständnis von demokratischen Prozessen scheint ein anderes als das meinige zu sein. Anders kann ich Ihren Artikel nicht deuten. Selbst wenn es den Bürgerinnen und Bürgern in Altona und Eimsbüttel nur um "das Bedürfnis nach Ruhe und einem hübschen privaten Umfeld" geht, was ist daran falsch? Wer entscheidet denn, was eine Stadt weiter bringt? Und wie weit? Wer entscheidet, wie ein Gemeinwesen zu führen ist? Wer sagt, dass eine Metropolregion vom Investieren leben muss? Wer legt fest, dass eine Stadt eine Kulturlandschaft und kein Museumsdorf ist? Es sind die Bürger, die sich in einem Gemeinwesen zusammenfinden. Ob es den Volksvertretern und nicht abstimmenden Bürgern nun passt oder nicht. Das ist gelebte Demokratie.

Ronald Saß, per E-Mail

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