Nürnberg. Ein neuer Fall führt Felix Voss in seine eigene Vergangenheit. Es geht auch um die Frage: Wie hätten die Wege ausgesehen, die nie im Leben begangen wurden?

Wer an diesem Dienstag um 20.15 Uhr weder das DFB-Pokalmatch im Zweiten noch die Arztserien im Ersten sehen will, könnte im Dritten Programm sein Glück finden. Das BR Fernsehen wiederholt den Franken-„Tatort“ mit dem Titel „Hochamt für Toni“ mit Kommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) aus dem vergangenen Jahr.

In schönen Bildern mit viel fränkischer Natur erzählt der neunte „Tatort“ aus Nürnberg von alter Liebe und grauem Alltag, von der Enge familiärer Tradition, von moralischen Höhenflügen und tiefen Abgründen. Regie führte der Schweizer Michael Krummenacher, der vor Kurzem mit der Neuverfilmung von „Der Räuber Hotzenplotz“ in den Kinos erfolgreich war.

Dabei wird das „Hochamt für Toni“ streng genommen gar nicht in Franken abgehalten. Voss ermittelt an der Seite seiner Kollegin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) gegen die Dienstvorschriften und diverse Widerstände in der nahe gelegenen Oberpfalz. Ein alter Freund, inzwischen Dorfpfarrer (Pirmin Sedlmeir), lädt den Nürnberger Kommissar zum sonntäglichen Gottesdienst ein, mit dem Versprechen, Hintergründe über Voss' Jugendliebe Antonia „Toni“ Hentschel preiszugeben. Zu den Enthüllungen kommt es freilich nicht - der Pfarrer liegt erstochen in der Sakristei.

Ein Trip in die Vergangenheit

Mithilfe von Tonis Schwester Eva (Sina Martens) wühlen die Nürnberger Kommissare in Vergangenheit und Gegenwart der steinreichen Industriellenfamilie Hentschel - und auch in der eigenen Berliner Studentenvergangenheit von Felix Voss, die dem Zuschauer immer wieder mit Rückblenden vor Augen geführt wird.

Und sie stoßen auf einen Abgrund nach dem nächsten. Tonis Vater, der gefühlskalte Patriarch (André Jung) und seine beiden aalglatten Manager-Söhne wehren sich gegen die Ermittlungen - genauso wie der örtliche Kriminaler Hans Bartram (Bernd Regenauer), der den nordbayerischen Kleinstadt-Gendarmen dann vielleicht doch eine Spur zu einfältig daherkommen lässt.

„Wir wollten einen Film machen, der für sich selbst steht. Das wollen wir übrigens immer. Ob Tatort oder nicht, ist zunächst nicht der erste innere Zugang zum Stoff“, sagte Hauptdarsteller Hinrichs im Interview der Deutschen Presse-Agentur zur Erstausstrahlung 2023. Ihm geht es viel mehr um die Frage, ob ein ästhetisch-künstlerisch ansprechendes Werk gelungen ist.

Wo der Film spielt, wie die Charaktere sprechen, sei dabei völlig zweitrangig. „Es ist gut, wenn es mal auftaucht, denn Dialekt ist immer direkt und spricht unmittelbar aus sich selbst heraus. Aber der Film muss natürlich im besten Fall auch in Wuppertal Anklang finden beziehungsweise überhaupt verstanden werden können“, sagte er zur typisch fränkischen Färbung im Tonfall einiger Darsteller.

Der Kommissar im Mittelpunkt

Der neunte „Tatort“ aus Franken ist stärker als seine acht Vorgänger auf den Hauptdarsteller Fabian Hinrichs zugeschnitten. Allenfalls Kollegin Ringelhahn kommt noch nennenswert zum Zug, für Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) bleibt nur der Bürojob, Spurensicherer Michael Schatz (Matthias Egersdörfer) ist diesmal gar nicht dabei.

Hinrichs' Kommissar-Figur ermittelt nicht nur, sie leidet, verzweifelt, erinnert sich manchmal qualvoll, manchmal voller Melancholie an Stunden an Seen und auf Partys. Viel Sinnieren schwingt mit in diesem Werk des Bayerischen Rundfunks, der ihn selbst eher als „klassisches Melodram“ denn als klassischen Kriminalfilm bezeichnet. „Was wäre gewesen, wenn?“, lautet eine der zentralen Fragen. Wie hätten sie ausgesehen, die Wege, die nie im Leben begangen wurden?