Hamburg. Der Kieler Ermittler Borowski muss in seinem vorletzten „Tatort“-Fall in großbürgerlichen Kreisen nach der Wahrheit forschen.

Im vorletzten Kieler „Tatort“ mit Axel Milberg gibt es zunächst einmal keine Leiche. Vielmehr ist Tobias Exner (Pétur Oskar) der Ehemann der wohlhabenden Unternehmerin Greta Exner (Cordelia Wege), ein dauerfremdgehender Schönling, auf einmal spurlos verschwunden. Letzte Kameraaufnahmen zeigen ihn an einem Bootsteg, von wo er eigentlich mit einem Kumpel auf einen mehrtägigen Trip aufbrechen wollte.

Doch er fuhr allein, wie sich herausstellt. Das kleine Beiboot fehlt. In „Borowski und der Wiedergänger“ (Sonntag, 20.15 Uhr, Das Erste) gehen also die Ermittler Klaus Borowski und seine Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik) auf die Suche.

Dass etwas faul ist an dieser Sache, merkt der Zuschauer bald. Bereits in den ersten Minuten der „Tatort“-Folge ist Greta Exner zu sehen, wie sie nachts durch ihr Haus schleicht, offensichtlich aufgeweckt durch ein verdächtiges Geräusch, und kurz darauf jemanden mit einer Trophäe niederschlägt. Die Szene wechselt zur Feier ebendieser Statue. Exner ist „Unternehmerin des Jahres“ in Kiel geworden und feiert in ihrem Wohnzimmer mit Freunden. Doch da ist eine Spannung zu spüren. Der Ehemann schaut finster drein, macht aber gute Miene zum bösen Spiel - kurz darauf ist er unauffindbar.

Die Regie verbindet in dieser Folge das gerade in Film und Fernsehen beliebte Genre „Satire über reiche Leute“ mit einem Verbrechen, von dem man lange nicht weiß, ob es tatsächlich stattgefunden hat. Oder ob sich der Filou einfach mit irgendeiner Online-Schönheit aus dem Staub gemacht hat. Denn Greta kommt aus einer wohlhabenden aber eisig-zynischen Unternehmerfamilie, bei der bald deutlich wird, dass sie es mit den herrschenden Gesetzen im Finanzwesen nicht so genau nimmt. Der Vater Konstantin Exner (Greg Stosch) und sein Schweizer Assistent Pascal Rütli (Caspar Kaeser) reißen Witze über Schlupflöcher im Gesetz, die Mutter (Karin Neuhäuser) macht sich angesichts des Verschwundenen vor allem Sorgen um den Ruf des Unternehmens.

Der eigentliche Fall tritt hinter der Karikatur fast in den Hintergrund - damit aber leider auch der Spannungsbogen. Gegenüber den Ermittlern Borowski und Sahin tun die Exners natürlich so, als wäre Tobias wie ein eigener Sohn – doch hinter vorgehaltener Hand lästern sie über den „Animateuer, Masseur, Charmeur“. Dem Vater rutscht der Satz: „Wer soll den ermorden wollen, diese Pfeife!“ heraus. Die Dialoge entlarven Dekadenz und moralische Verkommenheit der Großbürgerlichen.

Cordelia Wege wiederum gelingt es, ihre Rolle als erst Gedemütigte, dann verlassene Unternehmergattin, die in der wohlstandsverwahrlosten Kindheit wohl auch nicht viel zu lachen hatte, mit vielen Facetten auszustatten. Man sieht den glaubhaften Schmerz in ihrem Gesicht, als ihr dämmert, dass der Verschwundene sie nicht um ihrer selbst willen, sondern wegen ihres Reichtums geheiratet hat.

Bald stellt sich heraus, dass Tobias mit einer unbekannten Internet-Bekanntschaft anscheinend die Beseitigung der Gattin plante, und hier wird es natürlich interessant. Der Titel der Episode deutet es bereits an – ein ominöser Wiedergänger taucht auf. Leider trägt dies aber nicht die gesamte Folge, die sich – ohne Leiche - inhaltlich zu lange im Kreis dreht. Daran ändert auch nichts, dass mit Gretas guter Hausseele Wittek eine mögliche weitere Figur das undurchsichtige Spiel betritt.