Wohin man auch schaut, es wird gecastet: Heute starten ProSieben und Sat.1 die gemeinsame Suche nach “The Voice of Germany“.

Castingshows sind tot, es leben die Castingshows. Die Talentsuch-Sendungen sind ein Mysterium: Als Fans outen sich die wenigsten öffentlich, aus Angst nicht mehr für voll genommen zu werden. Die Quoten sind trotzdem höchst erfreulich für die Sender: 7,29 Millionen Zuschauer verzeichnete beispielsweise "Das Supertalent" am vergangenen Sonnabend. Dieter Bohlen sucht regelmäßig Deutschlands nächsten Superstar, Heidi Klum "Germany's Next Topmodel", und Michael Bully Herbig hat für seine "Wickie"-Verfilmung die starken Männer ebenfalls per Casting gefunden. Tatsache ist: Castingshows sind populär. So populär, dass immer neue Formate entstehen.

Diese Woche laufen gleich zwei neue Sendungen an, "The Voice of Germany" ist ein Gemeinschaftsprojekt von ProSieben und Sat.1 und hat sich (mal wieder) zum Ziel gesetzt, die beste (Sing-)Stimme Deutschlands zu finden. Lange galten Castingshows als eine Abart der Privatsender - bis es 2009 das ZDF wagte, einen zukünftigen Politiker in der Show "Ich kann Kanzler" durch Steffen Seibert, Anke Engelke und Günther Jauch suchen zu lassen. Die ARD zog nach, suchte 2010 gemeinsam mit ProSieben unseren "Star für Oslo" für den Eurovision Song Contest und fand Lena Meyer-Landrut. Am vergangenen Montag wagte sich auch der Kultursender Arte auf bis dahin fremdes Terrain, wohl auch wegen der selbst verordneten Verjüngungskur, und strahlt derzeit die erste selbst produzierte Castingshow "Photo for Life" aus. Mithilfe des Starfotografen Oliviero Toscani begibt sich der Sender auf Nachwuchssuche. Die Bewerbungen wurden über Facebook eingereicht, Toscani suchte die sechs talentiertesten aus. Bis Freitag wird täglich eine Folge ausgestrahlt, es gibt kein Telefonvoting für die Zuschauer, und als Gewinn winken Ruhm und Ehre statt eines Plattenvertrags. Casting made by Arte eben.

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Aber auch diejenigen, die gern Geld in Kandidatenhotlines investieren, bekommen ein neues Angebot zum Geldausgeben: "The Voice of Germany" heißt die Kooperation zwischen ProSieben und Sat.1, die ab heute zweimal wöchentlich abwechselnd auf den beiden Sendern laufen wird. Das beliebteste Format von Castingshows ist und bleibt nämlich die Suche nach potenziellen Sängern. Derzeit wird im deutschen Fernsehen in gleich drei Sendungen nach Stimmwundern gesucht. Am Dienstagabend beurteilen Sarah Connor, Das Bo und Jazz-Musiker Till Brönner Talente bei "X-Factor" auf Vox. Am Donnerstag und Sonnabend liefern sich aufstrebende Sänger ein Rennen mit Penismalern und Hundedompteuren beim "Supertalent" auf RTL. Und jetzt kommt noch "The Voice of Germany" hinzu.

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Am Beispiel der neuen Sendung zeigt sich, dass sich auch Castingshows weiterentwickeln müssen, um die wankelmütige Gunst des Publikums auf Dauer zu befriedigen. Gewohntes wird neu verpackt und mit möglichst englischen Namen versehen. Da wäre zum Beispiel die Jury: Hochkarätig muss sie sein, respektierte Künstler anstatt Z-Promis. So sitzen bei "The Voice of Germany" Nena, Xavier Naidoo, Rea Garvey und Teile der Band The BossHoss in der Jury. Auch auf die üblichen Knalltüten der ersten Castingrunden verzichtet das neue Format, hier sind nur ernst gemeinte Beiträge zugelassen. Und um zu beweisen, dass bei "The Voice of Germany" auch wirklich ganz ehrlich allein die Stimme zählt, sieht die Jury die Kandidaten in der ersten Runde nicht.

Das nennt man dann im selbst gemachten Fachjargon nicht einfach Vorrunde, sondern "Blind Auditions". Soll heißen: Die Jury sitzt dem Publikum zugewandt mit der Bühne im Rücken und hört sich insgesamt 150 Talente an. Diese Kandidaten wurden in Vorcastings ausgewählt, auf deren Ausstrahlung ProSieben und Sat.1 dankenswerter Weise verzichten. Nach den "Blind Auditions" bleiben planmäßig 64 Kandidaten übrig, die auf die Jury-Mitglieder aufgeteilt werden. Dann kommt das "Coaching", das heißt Nena und Co. geben ihren Schützlingen sachdienliche Hinweise. Die zweite Runde nennt sich dann kämpferisch "Battle Round", in der zwei Sänger gegeneinander antreten und jeweils einer ausscheidet. In diesem Verfahren entledigt man sich der Hälfte der Kandidaten. Wer dann noch übrig ist, darf sich durch sieben Liveshows singen, bis schließlich im Februar 2012 "The Voice of Germany" feststeht.

Offizielles Ziel aller Castingshows ist es, einen Künstler zu finden, der langfristig erfolgreich ist. In Wahrheit ist der Großteil der Kandidaten austauschbar. Und so ist es nach dem anfänglichen Erfolg ziemlich schnell wieder vorbei mit dem Traum von der großen Karriere. Macht aber nichts: Die nächsten Kandidaten warten schon.