Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner machen den “Polizeiruf 110: Fischerkrieg“ zu einem sehenswerten Fall von Küstenkriminalität.

Das Leben an der Küste ist hart. Unter den Fischern in Rostock herrscht deshalb eine miese Stimmung. Fangquoten machen ihnen das Leben schwer. Und dann wird auch noch einer von ihnen aus nächster Nähe erschossen. Kommissar Bukow (Charly Hübner) und die Profilerin König (Anneke Kim Sarnau) stoßen im Hafen zunächst auf eine Wand des Schweigens. Den Grund verstehen sie nicht auf Anhieb. Aber dann platzt es aus Fischer Ronny (Jens Münchow) heraus. "Erst macht ihr uns fertig, und jetzt sollen wir auch noch helfen."

Ihr, das sind in diesem Fall die Polizisten. Sie lösen bei den Fischern den Beamtenhass aus, weil sie die Staatsdiener für die Quote mitverantwortlich machen. Die Ermittlungen kommen nur mühsam voran. Da nutzt es Bukow nur wenig, dass er viele Leute im Hafen kennt. Ob es etwas damit zu tun hat, dass der Tote in der DDR 20 Jahre lang als Fluchthelfer gearbeitet hat und dafür sogar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde? Auch heute noch machen Schleuser ihr Geschäft mit der Not und den Sehnsüchten von Menschen und bringen sie aus anderen Ländern illegal über die Ostsee ins Ausland. Oder geht es doch um die Fangquote? Die Rostocker Fischer liefern sich schon seit Längerem einen Kleinkrieg mit der Besatzung eines polnischen Kutters, die im Ruf steht, den eigenen Fang illegal zu vermehren, indem sie zu engmaschige Netze auswirft.

Wichtige Informationen bekommt König von der zunächst widerspenstigen Journalistin Berger (Inga Busch). Schon da wird klar: Es geht nicht nur um kleine Fische. Je mehr die Ermittler herausfinden, desto mehr bringt das Bukow auf die Palme. Sein Vater Veit (Klaus Manchen) scheint etwas mit dem Mord zu tun zu haben. Nicht mal sein Sohn weiß, was er von den sibyllinischen Aussagen seines alten Herrn halten soll. Er wird schließlich vom Fall abgezogen. Aber natürlich ermittelt er auf eigene Faust weiter.

Auch im vierten Jahr ihrer Zusammenarbeit bilden Bukow und König in "Polizeiruf 110: Fischerkrieg" ein wunderbar funktionierendes, sich hartnäckig siezendes und triezenden Ermittlerduo, das sich mindestens so oft in die Haare gerät, wie es den Fall voranbringt. Sarnau und Hübner spielen die schwierigen und oft kratzbürstigen Charaktere lustvoll konfliktfreudig und unkonventionell. Saftige Rollen sind das im oft grauen deutschen TV-Alltag. Kein Wunder, dass Hübner, der womöglich unter der Intendanz von Karin Beier ans Schauspielhaus wechselt, in einem Interview verriet, den raubauzigen und maulfaulen Bukow könnte er "bis über die Rente hinaus" spielen.

Der Mord gerät angesichts der vielen "privaten" Schauplätze der Geschichte, die manchmal aus vergangenen Folgen in diese hineinreichen, fast schon zur Nebensache. Ist ja auch viel interessanter, der in Andeutungen und Traumsequenzen erzählten Suche Königs nach ihren leiblichen Eltern und ihrer rätselhaften Flucht aus der ehemaligen DDR nachzugehen, die womöglich in den nächsten Folgen noch weitergeht. Wie sie wird aber auch Bukow immer wieder von der eigenen und nicht immer vorbildlichen Vergangenheit eingeholt.

Max-Ophüls-Preisträger Florian Oeller, der an der Hamburg Media School studiert hat, schrieb das Drehbuch zu diesem vielschichtigen TV-Krimi. "Was ist man bereit zu tun, um ein erträgliches, besseres Leben führen zu können?", steht als Motto hinter dem Geschehen. Oeller hat, wie auch Regisseur Alexander Dierbach, bereits den Studio Hamburg Nachwuchspreis gewonnen. Beide haben die Schauspieler maßgeblich in die Zusammenarbeit miteinbezogen.

Dabei entstanden manchmal schöne Miniaturen, die sehr zum Unterhaltungswert des Rostocker Polizeirufs beitragen. So humpelt der Kollege Thiesler (Josef Heynert) auf Krücken durch diesen Fall. Als Bukow ihn nach dem Grund fragt, erzählt er, er sei beim Fußball von einem ganz jungen Spieler mit einer Blutgrätsche umgemäht worden. "Wie alt?", will Bukow wissen. "14", sagt Thiesler. "Okay. Sperren wir ein", tröstet ihn der Kollege. Wer braucht da noch längere Dialoge - oder einen Schiedsrichter?

"Polizeiruf 110: Fischerkrieg" Sonntag 20.1., 20.15 Uhr, ARD