Britische Erfolgsserie “Downton Abbey“, die auf ZDFneo und im ZDF anläuft, besticht durch liebevolle Details und fein gezeichnete Figuren.

Hamburg. Immer wenn eine der Glocken ertönt, begegnen sich Oben und Unten. Wenn "ihre Lordschaft" seine gebügelten Zeitungen oder "ihre Ladyschaft" einen Tee gereicht haben möchte. Oder wenn einer der drei Töchter das Haar gerichtet werden soll. Immer dann bedient die Familie aus ihren Gemächern oben still einen Mechanismus, der die Dienerschaft unten in der Küche mit einem Läuten in Alarmbereitschaft versetzt. Als sei ihr ganzes Dasein auf diesen Glockenklang ausgerichtet. Und der Betrachter, er schaut fasziniert auf dieses Spiel der Stände, auf dieses Uhrwerk. Denn, so wird sich bald herausstellen, die Ordnung mag noch so perfektioniert sein, eines bricht sich immer Bahn: das Leben.

Mehr als elf Millionen Menschen verfolgten allein im Ursprungsland Großbritannien die erste Staffel der Serie "Downton Abbey", die heute auf ZDFneo und zwei Tage später im ZDF startet. Mittlerweile hat sich die Geschichte um den Landsitz einer Adelsfamilie zum weltweiten Straßenfeger gemausert, aus mehr als 100 Ländern wurden die Ausstrahlungsrechte angefragt. Der Erfolg des Formats aus der Feder von Julian Fellowes ("Gosford Park") liegt darin, dass da (endlich einmal wieder) filmische und dramaturgische Handwerkskunst zu erleben ist. Jede Kameraeinstellung, jeder Dialog, jede Mimikfalte sitzt so akkurat und doch so selbstverständlich wie der Frack des Butlers.

"Downton Abbey" ist letztlich ein kunstvoll inszeniertes Geschichtsbuch, das uns hautnah miterleben lässt, wie die Menschen vor 100 Jahren an historischen Nahtstellen agierten. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg. In den zarten Anfängen der Emanzipationsbewegung. Als Gewissheiten vage wurden.

Die erste Folge verankert die Handlung gleich unmissverständlich in der Zeit. Die "Titanic" ist gesunken. Und mit ihr der künftige Erbe des Anwesens. Parallel zur Trauerfeier beginnt die Familie, den Nachlass neu zu regeln. Flugs werden in dieser Situation die Charaktere herausgeschnitzt. So fein wie die Ornamente des Mobiliars auf Highclere Castle, einem Herrenhaus im Neo-Renaissance-Stil im Südwesten Londons, wo die Serie gedreht wurde. Der gutmütige Lord Grantham (Hugh Bonneville) fühlt sich mehr dem Anwesen als dem Geld verbunden und zieht in dem Frauenhaushalt mitunter die Gesellschaft seines Hundes vor. Dem soften Patriarchen steht seine Frau Cora (Elizabeth McGovern) zur Seite, die die Fäden schon etwas gewiefter zusammenzuhalten versucht. Das Ensemble der Oberen komplettieren die älteste Tochter Mary (Michelle Dockery), ein zart-überspanntes Geschöpf, die keine Lust hat Schwarz zu tragen. Ihre Schwester Edith (Laura Carmichael), die mit ihrer Aufrichtigkeit zwar meist den Nagel auf den Kopf trifft, aber als Besserwisserin auch gewaltig nervt. Und die Jüngste, Sybil (Jessica Brown Findlay), die zum Auftakt noch schwach skizziert wird, aber sich bald durch revolutionären Eigensinn hervortut. Und zu guter Letzt wäre da noch die Countess of Grantham, die die 1934 geborene Maggie Smith als wunderbaren Drachen spielt. Ihr sind auch die meisten Bonmots zuzuschreiben. "Ich fühle mich wie auf der Bühne eines Vergnügungsparks", sagt sie etwa über die neu ins Haus gebrachte Elektrizität und klappt erbost den Fächer auf, um die Helligkeit abzuwehren.

Die Bediensteten wiederum befassen sich mit Änderungen ganz anderer Art. Der neue Kammerdiener John Bates (Brendan Coyle) bringt die ausgeklügelte Hierarchie innerhalb des Personals ins Wanken, was zwischen Herd und Hof Anlass zu so mancher Intrige gibt. Vor allem das Schicksal des rechtschaffenden wie komplexen Bates, der - so viel sei verraten - später noch heftig um seine Freiheit kämpfen muss, bewegt die Gemüter nun bereits über drei Staffeln hinweg. Seine Figur ist ein gutes Beispiel dafür, wie sehr die Verehrung von "Downton Abbey" mittlerweile bis in die Popkultur vorgedrungen ist. Die "Sun" erklärte den mittelalten Mann mit dem ernsten Blick und dem milden Lächeln zum Sexsymbol. In der New Yorker Streetart-Szene wurden "Free Bates"-Sticker gesichtet.

Wenn er liebevoll ein Jackett bürstet, als handele es sich um sein eigenes Kind, wird deutlich, warum der Anachronismus von "Downton Abbey" so erfolgreich ist. Jede Tätigkeit, jeder Gegenstand, sogar jede Uhrzeit ist mit Bedeutung aufgeladen. Eine TV-Unterhaltung gewordene Antithese zu Wegwerfgesellschaft und Burn-out-Syndrom.

"Downton Abbey" ab heute, 20.15, ZDFneo; ab Sonntag, 17.05, ZDF