Die zweite Staffel der exzellenten Serie “Borgen“ startet heute und sie ist fast noch besser als die erste: mehr „West Wing” in Legoland.

Hamburg. Sagt die eine arbeitende Mutter zur anderen: "Manchmal bin ich glücklicher, wenn ich arbeite und mich nicht mit meiner Familie auseinandersetzen muss." Autsch. Was für ein Geständnis. Sagt die andere, kein bisschen geschockt: "Willkommen im Klub. Ich denke, alle Workaholics kennen das Gefühl." Was in der Vergangenheit so mancher Mann gelebt (aber nicht zwingend zugegeben) hat, könnte an dieser Stelle auch Frauen mindestens innerlich heftig nicken lassen - die Erkenntnis nämlich, dass Arbeit auch dann glücklich machen kann, wenn man eine sehr geliebte Familie hat. Ziemlich unerhört, weil noch immer ziemlich ungewohnt, ist solch eine Unterhaltung natürlich trotzdem, zumal die hier Gestehende die Premierministerin von Dänemark ist, gerade ihre nervlich stark angeschlagene Tochter in der Psychiatrie besucht, eine gescheiterte Ehe hinter sich hat - und sich ganz nebenbei mit all den (klar, überwiegend männlichen) Alphatieren der Politik herumzuschlagen hat.

Die zweite Staffel des fabelhaften dänischen Zehnteilers "Borgen" um die Premierministerin Birgitte Nyborg und die Machtzentrale von Kopenhagen, die Arte ab heute in der deutsch synchronisierten Fassung zeigt (auf DVD kann man sich das dänische Original mit englischen Untertiteln angucken), ist fast noch besser als die erste. Ein bisschen ist es wie "West Wing" in Legoland, alles eine Nummer kleiner und - wie man in Dänemark so schön sagt - hyggeliger als im (ebenfalls brillanten) US-Vorbild. Aber dabei nicht weniger verschlagen, wenn es darum geht, wer die schönsten Intrigen und Heucheleien auf Lager hat. (Außerdem wird, aber das nur nebenbei, bei unseren nördlichen Nachbarn natürlich deutlich mehr geraucht als in Washington.)

Birgitte Nyborg (wie der gesamte Cast hervorragend besetzt: Sidse Babett Knudsen), die zu Beginn der ersten Staffel mit viel Idealismus und Pragmatismus Premierministerin geworden ist, muss diese Position diesmal verteidigen. Nach innen, nach außen, nach links, nach rechts, vor sich selbst. Und zum Auftakt auch direkt am Hindukusch. Tatsächlich spielt Außenpolitik diesmal generell eine größere Rolle, vor allem aber funktioniert das ansonsten eher übersichtliche Dänemark in "Borgen" wie ein Brennglas, wenn es darum geht, politische und gesellschaftliche Strukturen zu offenbaren, die Mechanismen parlamentarischer Macht zu verdeutlichen und gleichzeitig die Rolle der (Boulevard-)Presse in diesem manchmal sehr bösen Spiel.

Überhaupt spielt die vierte Gewalt eine gewichtige Rolle in der Serie, der Arte den etwas pathetischen (und doofen) deutschen Titel "Gefährliche Seilschaften" verpasst hat. "Borgen" nennen die Dänen den Parlaments- und Regierungssitz Schloss Christiansborg. Neben der Regierungschefin selbst, einer klar strukturierten Frau nicht ohne Herz, aber vor allem mit kühlem Kopf, sind die interessantesten Charaktere ihr gewiefter (und ziemlich cooler) Medienberater Kasper Juul (Pilou Asbæk), die toughe (und ziemlich hübsche) Karrierejournalistin Katrine Fønsmark (Birgitte Hjort Sorensen), deren versoffene, aber immer auch eindrucksvolle Kollegin Hanne Holm (Benedikte Hansen) und der widerliche Populist Michael Laugesen (Peter Mygind). Dem Privaten räumen die Macher Jannik Johansen, Jesper W. Nielson und Lousie Friedberg wieder viel Platz ein, wobei sich das Private und das Politische, also das Tagesgeschäft, hier kaum voneinander trennen lassen, wenn zum Beispiel die Journalistin und der Spindoktor eine Affäre miteinander haben oder wenn der Redaktionsleiter seine Anchorfrau unverblümt über die Familienplanung ausfragt und ihr eben darüber einen unmoralischen Deal anbietet.

Was die Rollenmodelle dieser Serie angeht, sind die Autoren recht modern und wirklichkeitsnah - und doch ihrer Zeit gar nicht so weit voraus. Zwar ist die Vorstellung, dass in Berlin eine Kanzlerin Elternzeit nimmt (nicht um ein Kind zu bekommen, sondern um eine schwierige Phase des Teenagers zu begleiten), noch eine eher abwegige. Trotzdem: Während die Deutschen sich immerhin längst an eine Frau als Regierungschefin gewöhnt haben und dieses Thema bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr keine Rolle spielen dürfte, sind die Dänen sogar einen Schritt weiter. Mit Helle Thorning-Schmidt steht dem Staat seit 2011 tatsächlich eine zweifache Mutter vor.

"Gefährliche Seilschaften" ("Borgen") Arte, ab 22.11., jew. zwei bis drei Folgen ab 20.15 Uhr