Irvine Welshs Romanverfilmung „Drecksau“ fasziniert vor allem dank James McAvoy. In Großbritannien gehört der Streifen schon jetzt zu den erfolgreichsten Filmen des Jahres.

Das Wort Antiheld hat einen zu positivem Klang, um den Helden dieses Films zu beschreiben. Bruce Robertson (James McAvoy) ist nicht nur egoistisch, unmoralisch und fies, er ist auch äußerlich ein Ekel: Das fettige Haar, der teigige Teint und die Augenringe zeigen krasse Spuren eines schlechten Lebenswandels, seine Bartstoppeln wecken die Ahnung, dass dieser Mann nicht gut riechen kann. Was ist bloß mit ihm los?

Bruce wendet sich direkt an den Zuschauer, und auch wenn er sich dabei als Großmaul enttarnt, macht er ihn damit zum Komplizen seiner Weltwahrnehmung. Am Anfang erzählt die Stimme aus dem Off von einer tollen Ehe mit erfülltem Sexualleben, wirklich vertrauen mag man dieser Aussage aber nicht, zu unwirklich wirken die Räume, durch die die wunderschöne Frau (Shauna Macdonald) schreitet, die seine Ehefrau sein soll. Dann geschieht ein Mord an einem jungen Japaner, und Bruce wird mit der Aufklärung beauftragt.

Von der Lösung des Falls hängt die Beförderung zum Inspektor ab, obwohl Bruce seinen Job hasst. Mit den Ermittlungen zum Mordfall hält sich der Film aber nicht weiter auf. Vielmehr entfaltet er das schwierige Porträt eines Mannes am Rande des Nervenzusammenbruchs. Nichts, was man über ihn erfährt, macht ihn sympathisch. Die Liste seiner Sünden ist lang und geschmacklos: Mit der Frau eines Kollegen hat er ein freudloses Sexverhältnis, die Frau seines besten Freundes treibt er durch Hechelanrufe mit gefälschter Stimme in den Wahnsinn, gegen all seine Konkurrenten setzt er Intrigen in Gang. Er selbst nimmt Drogen aller Art und scheut auch nicht davor zurück, sie anderen heimlich ins Getränk zu schütten.

Warum sollte man sich einen Film mit einem solchen Helden anschauen? Weil man weiterguckt, während man sich diese Frage stellt – allein schon, um herauszufinden, wie es diesem Film gelingt, trotz all der abstoßenden Dinge, die Bruce tut, einen immer mehr hineinzuziehen. Da ist zum einen James McAvoy in Hochform, ein Dämon voller Energie, zerrissen, größenwahnsinnig, verletzlich, in jeder Sekunde interessant. Und zum anderen ist da die Kameraperspektive, die fast dazu zwingt, auf seiner Seite zu stehen.

Der schottische Regisseur Jon S. Baird unterstreicht das Wahnhafte dieser Wahrnehmung, indem er die Räume um Bruce herum zentriert und die übrigen Figuren, den stark bebrillten Freund (Eddie Marsan), die kuhäugige Kollegin (Imogen Poots), den koksenden Partner (Jamie Bell) zu Karikaturen verzerrt. Bruce Stimme aus dem Off ist autoritär, und obwohl man von Anfang an seine Unzuverlässigkeit als Erzähler erahnt, kann man nicht anders als ihr zu folgen. Man erwischt sich beim Mitlachen mit Bruces „krankem“ Humor. Und wird kurz darauf bestraft von jenen Schocks, wenn Bruce auf einmal statt seiner Mitmenschen hässliche Schweinsgesichter sieht. Dieser Mann ist schon lange in einer selbst geschaffenen Hölle gelandet.

In Großbritannien gehört die Verfilmung des Romans von Irvine Welsh („Trainspotting“) schon jetzt zu den erfolgreichsten Filmen des Jahres.

Bewertung: empfehlenswert

„Drecksau“ Großbritannien 2013, 85 Min., ab 16 J., R: Jon S. Baird, D: James McAvoy, Eddie Marsan, tägl. im 3001, Cinemaxx Dammtor, Savoy (OF), UCI Wandsbek, Zeise (OmU); www.drecksau-derfilm.de