Woody Allen ist für “Whatever Works“ nach Manhattan zurückgekehrt und lässt einen alten Zausel sein Glück finden

Eines gleich mal vorab, okay? Ich bin kein angenehmer Zeitgenosse. Charme ist nie einer meiner Prioritäten gewesen." Boris Yellnikoff, perfekt verkörpert von Larry David, ist ein Miesepeter, wie er im Buche steht. An allem und jedem hat er etwas auszusetzen, und wenn das Leben mal nett zu ihm ist, kommt es ihm gleich verdächtig vor. Boris ist Nuklear-Physiker und hätte seiner Meinung nach eigentlich den Nobelpreis bekommen müssen. Von seiner reichen und perfekten Frau hat er sich scheiden lassen - es war einfach zu schön.

Jeder kennt solch unzufriedene Bedenkenträger, ihre Gesellschaft ist zumeist schwer zu ertragen. Die meiste Zeit hängt Boris mit seinen Kumpels in einem Straßencafé ab, um zu schwadronieren. Doch plötzlich steht er auf und spricht direkt zu uns in die Kamera. Er behauptet sogar, uns zu sehen. Das kann man neckisch finden oder irritierend, doch der Bruch mit der Kinoillusion bringt uns Boris nur noch näher. Und dann lernt der Misanthrop die hübsche Melody St. Ann Celestine (Evan Rachel Wood) kennen, ein unschuldiges und lebenslustiges Mädchen aus dem tiefen Süden. Boris lässt sie bei sich wohnen, eigentlich nur für eine Nacht, doch das ist erst der Beginn eines Beziehungsgeflechts, bei dem auch noch andere Charaktere (Melodys Eltern zum Beispiel) für Unruhe und einige Überraschungen sorgen: "Whatever Works - Liebe sich, wer kann".

Nach seinem Trip durch Europa (letzte Station: "Vicky Cristina Barcelona") ist Woody Allen wieder nach Manhattan zurückgekehrt, in jenen New Yorker Stadtteil, dem auch schon "Der Stadtneurotiker" in Hassliebe verbunden war. Boris Yellnikoff könnte ein Bruder von Alvy Singer sein. Das Geheimnis: Allen hatte das Drehbuch zu "Whatever Works" bereits 1977, ein Jahr nach dem "Stadtneurotiker", geschrieben - für den im selben Jahr verstorbenen Komiker Zero Mostel. Seitdem lag das Skript in der Schublade. Nun hat er es endlich verfilmt - zur Freude der Zuschauer, die sich in Allens Universum der 70er-Jahre zurückversetzt fühlen. "Whatever Works" - der Filmtitel steht auch für die Fabulierlust des Regisseurs. Hier ist nichts mehr realistisch, aber alles möglich.

Darum greift auch das Schlagwort der "Altmännerfantasie" nicht, mit dem manche dem Film bereits im Vorhinein misstrauten. Allen hat eine moralische Fabel inszeniert, in der es um Sex geht (natürlich!), um Beziehungsknatsch, um Religion und den hippen Kunstmarkt. Am Schluss fügt sich auf märchenhafte Weise alles zu einem runden Happy End zusammen - melancholisch, weise und sehr witzig. Typisch Allen eben.

++++- Whatever Works USA 2009, 92 Min., ab 12 J., R: Woody Allen, D: Larry David, Evan Rachel Wood, Patricia Clarkson, Ed Begley jr., täglich im Abaton (OmU), Holi, Streit's (OF), Zeise; www.whateverworks.centralfilm.de