In “Crossing Over“ zeigt Regisseur Wayne Kramer die US-Gesellschaft am Rand eines Kollapse.

Hamburg. Kurz vor Ende wird sie doch noch angestimmt. Die US-Nationalhymne, in der das "Star-Spangled Banner" im "Triumph über dem Land der Freien" weht. Ein bitterer Kommentar zu dem, auf das Regisseur Wayne Kramer die 100 vorausgegangenen Minuten blickt. Auf eine Handvoll Schicksale der mehr als 500 000 Menschen, die jährlich versuchen, in die USA zu immigrieren, sich über die mexikanische Grenze stehlen oder aus dem Rest der Welt einreisen und nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren.

Claire (Alice Eve) ist eine von ihnen, eine blonde Schönheit aus Australien, die von einer Karriere in Hollywood träumt und dafür einem Beamten der Einwanderungsbehörde (Ray Liotta) zu (Liebes-)Diensten ist. Der britische Musiker Gavin (Jim Sturgess), der sich für seine Aufenthaltsgenehmigung als jüdischer Gelehrter ausgibt, während ein nigerianisches Waisenmädchen schon 23 Monate in einem Heim auf ein neues Leben wartet, ein koreanischer Junge kurz vor seiner Einbürgerung in die Fänge einer Jugendgang gerät und eine muslimische Teenagerin, nachdem sie in der Schule Verständnis für die Attentäter vom 9/11 zeigte, ausgewiesen wird.

Um ihre Geschichten kreist Wayne Kramers Episodenfilm - und um den Polizisten Max Brogan (Harrison Ford), der Sweatshops hochgehen lässt, in denen Illegale schuften. Namenlose Schicksale, die ein Gesicht bekommen, als eine junge Arbeiterin ihn verzweifelt bittet, ihren Sohn zu retten.

In seltsam spröden Bildern, in denen die Kamera oft wie in einem Polizeihubschrauber über L.A. kreist, zeigt Kramer eine multikulturelle Gesellschaft am Rande des Kollapses, in der das Gesetz längst korrumpiert ist und nur noch einzelne Gesten zählen. Spannend sind seine Geschichten, allzu pathetisch die Dialoge, allzu sehr an "Crash" angelehnt seine Machart. Voller Leidenschaft aber stellt der Südafrikaner, der 1986 selbst immigrierte, große Fragen nach Identität, nach Gerechtigkeit und Verantwortung.

Am Anfang, als Brogan sich nach dem Gesundheitszustand eines Gefangenen erkundigt, schimpft sein Kollege: "Für dich ist alles gleich eine humanitäre Krise." Kramer zeigt, dass es hier tatsächlich um eine solche geht.

+++-- Crossing Over USA 2009, 113 Min., ab 16 J., R: Wayne Kramer, D: Harrison Ford, Ray Liotta, Ashley Judd, Jim Sturgess, Cliff Curtis; täglich im Passage UCI Mundsburg; www.filmverleih.senator.de