Timur Vermes' Debütroman ist eine gelungene, auch beklemmende Satire über den Massenmörder Adolf Hitler und die Massenmedien.

Hitler lebt. Und er schrieb viel mehr als "Mein Kampf". Dachten oder wünschten sich zumindest jahrzehntelang immer wieder Ewiggestrige und Irregeleitete. Nicht nur in Deutschland.

Fast 30 Jahre nach Erscheinen der gefälschten Hitler-Tagebücher im Magazin "Stern" hält sich hierzulande seit Wochen ein Buch hartnäckig ganz weit oben in den Bestsellerlisten, das es so noch nicht gab. Was wäre, wenn Hitler wieder erwachte? Unter uns? In der Gegenwart? Timur Vermes hat sich derartige Fragen gestellt und gibt in seinem Debütroman besondere Antworten.

Allein, aber unversehrt liegt Adolf Hitler im Sommer 2011 auf einem leeren Grundstück in Berlin-Mitte, gleich neben einem Bolzplatz. Er blickt in den blauen Himmel. Bei drei jungen Hobbykickern erntet der wiederauferstandene Massenmörder nur wenig Interesse ("Wat'n det für'n Opfa?"). Doch als er den "Hitlerjungen Ronaldo!" - so genannt, weil der junge Mann ein Trikot mit dem Namen des portugiesischen Fußballstars trägt - nach dem Weg zur Straße fragt, nimmt die Geschichte ihren komischen, großteils sogar irrwitzigen Verlauf: "Er ist wieder da."

Hitler macht nicht nur seine ersten Schritte in der modernen Großstadt. Er muss auch die Ereignisse der vergangenen 66 Jahre nachholen - "ohne dabei ungünstige Aufmerksamkeit zu erregen", wie er sagt. In der Ichform gehen die Leser Hitlers Weg mit. Erst lacht man noch über ihn, dann mit ihm.

Genau das ist das Böse an Timur Vermes' Roman. Der Autor, 1967 als Sohn einer Deutschen und eines Ungarn in Nürnberg geboren, zeichnet einen neuerlichen Siegeszug des Diktators in der Bundesrepublik. Dessen Weg führt vom leeren Grundstück zu einem Kiosk. Schon beim Zeitungshändler, der ihn für einen Comedy-Darsteller hält, arrangiert sich Hitler mit den neuen Verhältnissen. Sätze wie "Vorgestern hatte ich noch die 12. Armee verschoben, heute waren es die Regale", zeigen die ganze Paradoxie und den Sprachwitz des Autors.

Und der "Gröfaz" im deutschen Soldatenrock beeindruckt nicht nur die Menschen am Kiosk. Sein Siegeszug führt ihn über eine türkische Reinigung ("Blitzreinigung's-Service Yilmaz") bis ins Fernsehen. Eine Firma namens Flashlight engagiert ihn, in seinem Büro freundet er sich mit einer Halbtagssekretärin und einem Smartphone an. Klingelton: Wagners "Walkürenritt".

Vermes, zuvor Journalist sowie Ghostwriter mehrerer Bücher, hat einen Sinn für Details und trifft Hitlers Diktion. Bizarr: Die Medien- und Politikschelte geht in Vermes' Buch von Hitler aus, der sich als Sieger wähnt. Die Fernsehfuzzis sieht er nur als willfährige Propagandisten. In seinen Reden mag er nichts Humoristisches erkennen - und ähnelt damit manchen Berufspolitikern. Etwa jenen NPD-Männern, die in "Er ist wieder da" von Hitler besucht, jedoch als Schwachköpfe abgekanzelt werden: "Ein Haufen Waschlappen. Ein anständiger Deutscher hat hier nichts verloren."

Dass Hitler satirefähig ist, haben schon ganz andere Kaliber gezeigt, Charlie Chaplin etwa in seinem Kinofilm "Der große Diktator" von 1940 oder Walter Moers 1998 in seinen "Adolf"-Comics. Bei Vermes ist Hitler eine lächerliche Figur, noch mehr Narziss als Nazi, ein Wahnsinniger, der gerade deshalb von der Allgemeinheit hofiert wird.

Wie lässt der Autor in einer ersten Bestandsaufnahme Hitler doch unter Punkt 3 sagen? "Ich selbst galt tatsächlich als tot. Es wurde mir unterstellt, ich hätte Selbstmord begangen. (...) Aber letzten Ende musste ich nur an mir herabsehen, um die Tatsachen zu erkennen. War ich denn tot?"

Schon an dieser Stelle überkommt einem beim Lesen Beklemmung. Und das ist bei aller satirischen Unterhaltung auch gut so.

Timur Vermes: "Er ist wieder da", Eichborn, 400 S., 19,33 €

Hörbuch (gelesen v. Christoph Maria Herbst), Lübbe Audio, 6 CDs, 411 Min., 14,99 €