In dieser Woche kommt das Finale der Batman-Trilogie in die deutschen Kinos. Es ist ein Meisterwerk, auf dem stets ein Schatten liegen wird.

Hamburg. Höhe und Breite sind auf einer parkplatzgroßen, modernen Kinoleinwand kein unüberwindbares Problem mehr. Das traditionell verankerte Gefühl der Tiefe, optisch wie erzählerisch, das ist eine ganz andere Angelegenheit. Kino, in dessen Abgründe man hineingesogen wird wie in einen Malstrom, kommt mehr und mehr aus der Mode. Schon der Gedanke daran, was 3-D-Aufnahmen aus reiner, kalter Geldgier mit der "Pate"-Saga, mit "Apocalypse Now" oder sogar noch mit "E. T." gemacht hätten, ist erschreckend und abstoßend zugleich. Ist es also bloß Zufall, dass "The Dark Knight Rises", der finstere, vergrübelte und gesellschaftskritisch aufgeladene Schluss der Batman-Trilogie, aus der Reihe der vier großen Kinokracher tanzt, die in diesem Sommer die Multiplex-Bunker mit Popcorn verschlingenden Kunden fluten sollen? Natürlich nicht.

Das rasant inszenierte Comic-Helden-Quartett "The Avengers" wäre ohne das genüssliche dreidimensionale Pulverisieren ganzer Straßenzüge ebenso undenkbar (und unverkaufbar) wie Peter Parker in "The Amazing Spider-Man". Der veranstaltet dort, durch Genmutation von "Teenage Angst" befreit, beim Neustart seiner Geschichte formschönen Kunstflug durch die Straßenschluchten New Yorks.

Und auch "Prometheus" von Altmeister Ridley Scott, seinem Prolog zur "Alien"-Trilogie, mag bei der "Wie alles begann"-Begegnung mit den Konstrukteuren der Menschheit nicht gänzlich auf die spektakulär dosierten Extraschauwerte verzichten, die 3-D für seinen satten Aufpreis bietet. Dort sind sie allerdings weitgehend unnötig, um den Dauerdruck im Erzähltempo zu halten. Das übernimmt die Geschichte. Für den Rest sorgen die beklemmende Atmosphäre und die übellaunigen Aliens auf einem fernen Planeten. Scott ist zu alt und zu clever, um die Seele seines Films ans plumpe Pixelschleudern zu verscherbeln.

Christopher Nolan wiederum, der ohnehin eher ein Grübler im Regiestuhl als ein verspielter Technikvorführer ist, drehte seinen dritten und letzten Batman absichtlich im IMAX-Format. Er mag 3-D als Blockbuster-Beschleuniger nicht, "ich habe auch noch nie jemanden getroffen, der dieses Format mag", und wollte deswegen seinen Bildern eine atemberaubende Übergröße alter Schule geben.

Die Dresche wird hier noch, wie es sich gehört, mano a mano verabreicht, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Bruce Waynes noch dunklere Seite Batman - letztlich nur ein wütender Einzelgänger ohne Superkräfte und moralphilosophische Zweifel, dafür aber mit exquisitem Zubehör im gut sortierten Hobbykeller - muss sich seinem monströs aufgepumpten Gegner Bane zu einem guten alten Duell mit Fäusten stellen, obwohl die Rückenwirbel krachen und die Kniegelenke im Eimer sind.

In diesem Batman-Finale, Zusammenbruch einer erschreckend unliberalen Gesellschaftsordnung und Himmelfahrt ihres rehabilitierten Beschützers zugleich, werden schließlich auch ganz andere, komplexere Themen aufgerufen und ernsthafter bebildert als die Frage, aus welchem Winkel irgendetwas oder irgendjemand am beeindruckendsten ins Blickfeld seines 3-D-bebrillten Betrachters sausen kann.

Wie schon in seiner Alptraumstudie "Inception" gelingt es Nolan auch hier, düstere Fantasien großartig wahr werden zu lassen. Die bei Dante ausgeliehene Vorhölle, jene orientalische Gefängnismine, in die Wayne als buchstäblich gebrochener Mann ohne Eigenschaften geworfen wird, zählt dazu.

Um dort das erlösende Licht am Ende des Tunnels zu erreichen, braucht es nicht (was wohl noch vergleichsweise einfach zu schaffen wäre) genügend Mut, sondern (was noch viel perfider ist) genügend Angst vor dem Absturz beim Aufstieg. Hätten Camus, Nietzsche und Sartre als Produktionsdesignerteam in Hollywood angeheuert, dieses finstere, gottverlassene Loch im Wüstenboden wäre mindestens ihr Gesellenstück gewesen.

In ihrem Drehbuch jonglieren die Gebrüder Nolan mit etlichen Versatzstücken aus der Geschichte, der jüngeren Politik und der Weltliteratur: Als es der Finanzwelt mit einem fingierten Raubüberfall an den Kent-Kragen geht, ist dieser Blitzkrieg gegen Wall Street nur ein fesches Ablenkungsmanöverchen. Der eigentliche Angriff, in dem Bane Momente nach dem Absingen der US-Hymne eine selbstverliebte und selbstgerechte Nation vor den Augen der Welt entmachtet, mündet in ein Szenario, das mit 9/11-Parallelen aufwartet, um die Französische Revolution 2.0 losbrechen zu lassen. Bane hält zum Sturm auf die Penthouses und Gefängnisse klassenkämpferische Brandreden, die an Victor Hugos "Les Misérables" oder an Charles Dickens' "A Tale of Two Cities" erinnern. Was dann passiert, nimmt Anliegen der "Occupy Wall Street"-Bewegung vorweg, obwohl diese Szenen weit vor dem Ausbruch der realen Proteste geschrieben wurden.

Natürlich dürfen, wie es sich für erwachsene Comic-Adaptionen oberhalb der Popcorn-Liga gehört, auch mythologische und religiöse Anspielungen nicht fehlen. In seiner Bat-Höhle kann Wayne praktisch übers Wasser gehen, um sich auf einem Hochaltar in den gepanzerten Erlöser seiner Heimatstadt Gotham zu verwandeln, die als Prototyp einer kapitalistischen und absolutistisch regierten Metropole Geisel eines basisdemokratisch denkenden Terroristen ist. Und ein wackerer Polizist - Batman-Langzeitleser ahnen schon lange vor der letzten der 164 Kinominuten schnell, was aus dem mal werden soll - tauft sich in diesem Wasser selbst, um eine neue Identität anzunehmen. Und eine neue Aufgabe gleich mit.

Hans Zimmers Musik, in der es insbesondere beim Batman-Leitmotiv unverhohlen wagnert, tut ein Übriges, um mit allen Holzhammermethoden des globalen Mainstream-Kinos klarzustellen, dass man hier einem Übermenschen bei der ihm von ganz weit oben auferlegten Pflichterfüllung zusieht. Darunter macht Christopher Nolan es bei seinem aktuellen Meisterwerk nicht mehr. In einem solchen Revolutionspanorama ist beim besten Willen kein Platz für 3-D-Mätzchen und digitale Augenwischereien. Bruce Wayne ist am Ende einer von uns.

Preview: 24.7. "The Dark Knight" + "The Dark Knight Rises": Cinemaxx Dammtor 20.30, Streit's (OF) 20.30, Studio-Kino 21.15,. "The Dark Knight Rises" Abaton (OmU) 23.59 Uhr, UCI Smart City 23.59 Uhr 25.7. "The Dark Knight Rises" Abaton (OmU) 16.45, 20.15. Cinemaxx Dammtor 0.01, 12.15, 16.00, 17.00, 20.00, 20.30, 21, 22.15. Cinemaxx Harburg 14.30, 18.30, 20.00. Cinemaxx Wandsbek 14.00, 16.15, 20.15. Hansa-Filmstudio 20.00. Studio-Kino 0.01, 17.45, 20.15. UCI Mundsburg 0.01, 14.00, 20.00, 22.30. UCI Othmarschen 0.01, 14.00, 16.30, 20.30, 23.00. UCI Smart City 14.00, 16.30, 20.00, 22.30