ARD und ZDF kündigen ihre Verträge mit den Kabelnetzbetreibern. Von Preiserhöhungen wären auch viele Hamburger Haushalte betroffen.

Hamburg. Zugegeben, die Sache klingt etwas unübersichtlich - und möglicherweise auch ein klein wenig dramatischer, als sie ist: Voraussichtlich am 30. Juni werden ARD und ZDF ihre Einspeiseverträge mit den drei größten deutschen Kabelnetzbetreibern Kabel Deutschland, Unity Media und Kabel Baden-Württemberg zum 31. Dezember kündigen. Der Hintergrund ist einleuchtend: Die Öffentlich-Rechtlichen wollen die jährliche Einspeisegebühr in Höhe von etwa 60 Millionen Euro nicht mehr bezahlen.

Das heißt allerdings nicht, dass die Kunden der betroffenen Kabelnetzbetreiber künftig keine Programme von ARD und ZDF mehr empfangen können. Von Gesetz wegen sind diese dazu verpflichtet, die öffentlich-rechtlichen Sender in ihre Netze einzuspeisen - allerdings nicht alle Kanäle. Schlimmstenfalls werden Kabelhaushalte keine ARD- und ZDF-Programme mehr im hochauflösenden HD-Standard empfangen können. Ob die Kabelgesellschaften auch so manches dritte Programm sowie die Digitalkanäle der Öffentlich-Rechtlichen abschalten dürfen, ist umstritten.

ARD und ZDF wollen für die Einspeisung ihrer Programme nicht mehr zahlen, weil "Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ein Gebot der Stunde" seien, wie eine ARD-Sprecherin sagt. Zudem würden nirgendwo sonst in der Welt die Sender für die Einspeisung ihrer Programme zur Kasse gebeten. Das ist richtig. In den USA bezahlen die Kabelnetzbetreiber sogar die TV-Kanäle, damit sie deren Programm verbreiten dürfen. Die deutsche Sondersituation ist darauf zurückzuführen, dass in den 80er-Jahren die damalige Bundesregierung den Ausbau des deutschen Kabelnetzes beschleunigen wollte. Deshalb erlaubte sie der ehemaligen Bundespost, deren Netz heute den drei großen Kabelnetzbetreibern gehört, sowohl bei den Endkunden als auch bei den Sendern zu kassieren.

Die größte der drei Gesellschaften ist Kabel Deutschland, an deren Netz auch die meisten Hamburger TV-Haushalte hängen. Sie mag dieser Argumentation nicht folgen. Kabel Deutschland verweist stattdessen darauf, dass Kabelfernsehen nirgendwo in Europa so günstig sei wie in Deutschland. Während anderenorts zwischen 21,90 Euro (Österreich) und 50,99 Euro (Spanien) pro Monat für den Kabelempfang fällig würden, lägen die eigenen Tarife zwischen 8,22 Euro für Haushalte in großen Wohnanlagen und 18,90 Euro für Einfamilienhäuser.

+++ Eine Gebühr ohne Zukunft +++

Zudem sei das Kabel schon jetzt der günstigste Verbreitungsweg, wenn man die Kosten von ARD und ZDF auf die TV-Haushalte herunterbreche: So koste die Kabelverbreitung die Sender nur zwei Euro pro Haushalt. Beim Satelliten seien es vier und beim digitalen Antennenfernsehen DVB-T sogar 37 Euro. "Wer so rechnet, vergleicht Äpfel mit Birnen", sagt die ARD-Sprecherin.

Das Geschäftsmodell des Antennen- und Satellitenfernsehens, bei dem für die Zuschauer keine monatlichen Gebühren anfallen, sei mit dem der Kabelnetzbetreiber nicht zu vergleichen. Zudem werde das von den Sendern produzierte Satellitensignal auch von vielen Kabelgesellschaften genutzt. Sollten die Öffentlich-Rechtlichen bei ihrer Haltung bleiben, müssen sich die Verbraucher auf höhere Kabelgebühren einstellen. Allerdings ist der Spielraum der Gesellschaften für Preiserhöhungen begrenzt. Zu groß ist mittlerweile die Zahl der Wettbewerber, die ganz ohne Einspeisegebühr den Konsumenten attraktive Angebote machen. Neben dem digitalen Antennen- und Satellitenfernsehen sind das vor allem Anbieter des Internet-TV-Standards IPTV wie die Deutsche Telekom oder Vodafone. Aber auch regionale Kabelgesellschaften wie die Norderstedter Wilhelm Tel und ihre Hamburger Tochter Willy Tel bekommen von den Sendern keine Einspeisegebühr.

Die drei großen Kabelnetzbetreiber wollen sich nun mit ARD und ZDF zu Gesprächen treffen. Für sie steht viel auf dem Spiel. Denn sollten die Öffentlich-Rechtlichen künftig keine Einspeisegebühren mehr zahlen, dürften über kurz oder lang die Privatsender nachziehen.

In diesem Fall stünde "auch das Kooperationsgefüge mit den Privaten auf dem Prüfstand", sagte ProSieben-Sat.1-Vorstand Conrad Albert dem "Handelsblatt". Die Wahrscheinlichkeit, dass ARD und ZDF den Kabelnetzbetreibern bei den nun anstehenden Gesprächen entgegenkommen, ist aber praktisch gleich null. Denn selbst wenn sie wollten, sie können es gar nicht: Die 60 Millionen Euro für die Einspeisegebühr haben die Sender für die neue, am 1. Januar 2013 beginnende Gebührenperiode bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten KEF überhaupt nicht beantragt. Das Geld wurde ihnen folglich auch nicht bewilligt.