Ex-Thalia-Intendant Jürgen Flimm befürchtet Etateinschränkungen und beklagt die Benachteiligung im Vergleich zum Deutschen Schauspielhaus.

Hamburg. "Das Theater ist längst am Limit", hatte Thalia-Intendant Joachim Lux in einem Gespräch mit dem Abendblatt im März gesagt. "Wir könnten Inszenierungen streichen oder im Ernstfall eine Bühne schließen." Nun macht sich auch Lux' Vorvorgänger Jürgen Flimm Sorgen. Denn Anlass für Lux' Aussage war der Tarifabschluss, der für öffentlich Bedienstete eine Steigerung von 6,3 Prozent vorsah, verteilt auf zwei Jahre. 990.000 Euro wären das an Zusatzkosten fürs Thalia. Die Stadt wird wohl nur 270.000 Euro davon übernehmen. Wo soll das Theater das fehlende Geld hernehmen? Eine weitere Steigerung der Gehälter im nicht-künstlerischen Bereich hätte massive Auswirkungen auf den Spielplan und die Qualität des Theaters.

"Schließlich kann man nur bei den Künstlern sparen, um es woanders auszugeben", sagt Ex-Thalia-Intendant Jürgen Flimm. Tatsächlich scheinen sich Befürchtungen zu bestätigen, nach denen das Thalia-Theater - in dessen Etat bereits eine Lücke von 1,1 Million Euro klafft, weil Zusagen zum Ausgleich von Tariferhöhungen nicht eingehalten wurden - mit weiteren Einschnitten rechnen muss. Eine der kulturellen Institutionen Hamburgs, die deutschlandweit höchste Anerkennung genießt, wird wohl auch nach den Senatsklausuren diese Woche mit einem seit Jahrzehnten kaum gesteigerten Haushalt auskommen müssen.

23,7 Millionen beträgt der Thalia-Etat. Ein Viertel davon erwirtschaftet das Haus selbst. Für die Kunst stehen 5,9 Millionen zur Verfügung. 2013 werden weitere 725.000 Euro aus nicht ausgeglichenen Tariferhöhungen fehlen. Jürgen Flimm, Intendant der Berliner Staatsoper, hat das Thalia-Theater 15 Jahre lang geleitet, er sagt: "Ein Theater, das die staatlich verhandelten Tariferhöhungen nicht bekommt, muss den Produktionsetat runterfahren. Anders geht es nicht. Das ist das einzig disponible Geld." Darüber hinaus bedeute so eine Minderung auch Entlassungen, glaubt Flimm. "Ich verstehe nicht, warum die Leute am Thalia, die immer so fleißig gearbeitet haben, schlechter gestellt werden sollen als die Kollegen am Schauspielhaus?"

Karin Beier, die von 2013 an das Schauspielhaus leiten wird, hatte sich bei ihren Vertragsverhandlungen ausbedungen, dass die Stadt alle Tariferhöhungen ausgleichen werde. Rückwirkend ab 2008. 2,5 Millionen Euro hat das Schauspielhaus derzeit mehr im Etat. 2013/14 werden es sogar 4,7 Millionen mehr sein als beim Thalia.

Kulturbehörden-Referent Stefan Nowicki sagte dem Abendblatt: "Senatorin Kisseler wird bei den Senatsberatungen versuchen, das Beste fürs Thalia rauszuholen. Aber so viel wie beim Schauspielhaus wird es nicht sein." Die Schere bei beiden Häusern wird weiter auseinanderklaffen.

"Diese Ungerechtigkeit ist Hamburger Tradition", sagt Flimm. "Warum, weiß ich nicht." Und: "Die Berliner Theater sind mit Abstand besser gestellt. Die Berliner haben verstanden, dass Kultur für das Überleben der Stadt sehr wichtig ist. Als Wirtschaftsfaktor. Man spürt das hier an jeder Ecke." Dabei erwähnt Flimm ein Thema, das das Thalia noch viel schmerzhafter treffen könnte. "Ich weiß, dass man in Berlin schon sehr aufmerksam auf Joachim Lux schaut. So einen erfolgreichen Intendanten hätte man hier gerne." Auch Lux' Vorgänger Ulrich Khuon ist jetzt Intendant in Berlin, am Deutschen Theater. Im Sommer 2014 endet Claus Peymanns Vertrag am Berliner Ensemble. Wer folgt ihm nach? Für Hamburg gilt weiterhin, so Jürgen Flimm: "Das Thalia-Theater rangiert derzeit auf Platz eins oder zwei der deutschen Theater. Das ist Champions League." Noch.