Die Dokumentation “Work Hard - Play Hard“ zeigt das Umfeld der Angestellten von heute - zum Beispiel in der Unilever-Zentrale Hamburg. Ab heute im Kino.

Hamburg. Bei der Management- und Technologieberatung Accenture sind feste Arbeitsplätze abgeschafft. Das Unternehmen setzt seit den 1990er-Jahren auf ein "nonterritoriales Arbeitsplatzkonzept" mit dem Stichwort "Hotelling", erklärt der Chef: Die Mitarbeiter können einen Platz buchen und dabei zwischen sieben Typen wählen - vom einfachen "Touchdown" mit Internetzugang, wenn sie nur ihre E-Mails checken wollen, bis hin zum Schreibtisch im geschlossenen Zimmer ("enclosed office"). Das Konzept erspart Mietkosten, und die Mitarbeiter bringen ihre Aufgaben im Laptop mit.

Wie das aussieht, können Kinozuschauer in Carmen Losmanns Dokumentation "Work Hard - Play Hard" beobachten. Die Kamera fährt durch weite Räume mit langen Tischen, hier und da sitzt jemand vor dem Bildschirm, zu hören ist nur das leise Klackern der Tastaturen. Kein Pausentratsch, keine gemütlich zugemüllten Schreibtische mit Pu-der-Bär-Tasse und Familienfotos. Für Stimmung sorgen wechselnde Wandprojektionen wie die Desktop-Motive von Windows: Eismeer, Wald, Südsee. Die verlässlichste Erscheinung im Büro der Zukunft ist das Reinigungspersonal.

Carmen Losmann, 33, zeigt in ihrem Film die modernen Angestelltenwelten, in denen Raum und Mensch völlig neue Aufgaben erfüllen sollen. Sie stieß auf ein Paradoxon: "Viele Unternehmen haben Stempeluhren und Anwesenheitspflicht abgeschafft. Der Mensch soll sogar im Mittelpunkt stehen, ist das Credo der modernen Personalführung", sagt sie. "Aber gleichzeitig nehmen der Druck und die Verdichtung der Arbeit zu." Dieses Spannungsfeld zwischen Wohlfühlen und Profitmaximierung habe sie interessiert. Gedreht hat sie unter anderem bei Meetings bei der Deutschen Post, bei Unternehmensberatungen und Architekten, im Assessmentcenter eines Solaranlagenherstellers, außerdem ein Führungskräftetraining im Hochseilgarten des Ellernhofs bei Hamburg.

Die schöne neue Arbeitswelt ist ziemlich unwirtlich

In der neuen Unilever-Zentrale in der HafenCity hat man versucht, die Unternehmensziele "transparent, modern und dynamisch" auch baulich umzusetzen: Ein weites Atrium in der Mitte soll Durchblicke und Treffpunkte ermöglichen, große Bildschirme zeigen die Unilever-Produkte, so als seien die Mitarbeiter Flaneure, denen man zeigen muss, was sie herstellen. Er ist nämlich (noch) nicht so, wie er sein sollte, der moderne Arbeitnehmer. Jahrhundertelang haben ihm Chefs gesagt, was er tun soll, jetzt soll er eigenverantwortlich handeln und sich dabei permanent selbst optimieren. Wenn man Menschen aber das Persönliche an ihrem Arbeitsplatz entzieht, erfordert das besondere Maßnahmen, um ihnen "trotzdem ein Gefühl der Firmen- und Gruppenzugehörigkeit zu vermitteln", hat der Accenture-Manager erkannt. Personal- und Managementberater müssen den Angestellten immer wieder erklären, warum sie sich mit ihrer Firma identifizieren sollen.

Die besten und innovativsten Ideen, ergab eine amerikanische Studie, haben Mitarbeiter nicht durch Meetings und Schulungen, sondern zu 80 Prozent bei zufälliger, ungeplanter Kommunikation: beim Herumwitzeln an Kaffeemaschinen, beim Lotto-Plausch in der Teeküche, im Raucherzimmer.

Also gibt auch dafür spezielle Flächen, die mal "Coffee points", mal "Meeting points" heißen; Anti-Stress-Enklaven mit hellen Sesseln, orangeroten Hartschalensitzen, Ballonlampen. Räume werden so funktional definiert wie Mitarbeiterprofile. Ein Programmentwickler demonstriert dafür eine spezielle Software: Dort wird eingegeben, wer ein "Performer" ist und sich jederzeit der "challenge" (Herausforderung) stellt, wer sich "changen" lässt. Diese Begriffe fallen so stereotyp wie früher die Kader-Sprechblasen in DDR-Betrieben.

Bei der Deutschen Post beraten "Change Agents" aus verschiedenen Abteilungen bei einem "Meeting", wie 1200 Mitarbeiter in eine "Kultur der kontinuierlichen Verbesserung" einbezogen werden können. Sie habe die "Vision", diesen "kulturellen Wandel in die DNA des einzelnen Mitarbeiters zu pflanzen", sagt die Leiterin. Beim Führungskräfteseminar auf dem Ellernhof wird die Darstellung des menschlichen Gehirns gezeigt: Die Trainingsübungen sprächen emotionale und kognitive Fähigkeiten an, sagt der Seminarleiter, und dadurch würden sie noch nachhaltiger gespeichert.

Sind diese Bezüge zu Erbgut und Gehirn noch zufällig? Was hier durchscheint, ist ein Totalanspruch an den Arbeitnehmer, seine Gedanken, seine Zeit. Soll er mit Haut, Haar und Erbgut zur Verfügung stehen?

Der Film erzeugt mal heitere Resignation, mal Grausen, ohne jede Übertreibung: Die Kamera bleibt beobachtend und gesprächsbegleitend. Aber der Blick auf die Anmaßungen der schönen neuen Arbeitswelt ist hammerhart.

"Work Hard - Play Hard" läuft von heute an im Abaton-Kino.