Die Hamburger Ex-Richterin Barbara Salesch widmet sich der Kunst. Nach dem Ende ihrer TV-Show beschäftigt sie sich mit dem “Experiment Holzschnitt“.

Hamburg/Köln. Barbara Ludovika Phyllis Salesch ist so entspannt, wie man das nur sein kann am ersten Tag eines neuen Lebens. Gestern noch war sie Teil der Fernsehindustrie, die ihr zwölf Jahre lang unerbittlich den Takt vorgegeben hat. Jetzt kümmert sie sich in der Kölner Galerie Kunstraub99 einzig darum, dass ihre Kunstwerke exakt so hängen, wie sie das will. Am nächsten Abend ist Vernissage für ihr "Experiment Holzschnitt". Aufbruch ins dritte Leben, früher als geplant, denn sie hatte sich 65 als Ausstiegspunkt gesetzt. "Aber irgendwann überlegt man, wie lange man noch auf einer Leiter herumturnen kann, um vier mal vier Meter große Bilder zu produzieren."

Die Antwort ist der Ausstieg mit 61 Jahren, nach knapp 2400 Sendungen und mehr als 3000 Fernseh-Verhandlungen. Sie, die sich zu Beginn gewünscht hatte, im Supermarkt angesprochen zu werden auf das, was sie da tut, sagt jetzt: "Da wächst man auch wieder hinaus - ich bin ja kein Backstreet Boy, an meiner Studiotür standen keine kreischenden Teenies."

1999 ist sie vom Landgericht Hamburg vor die Kameras gewechselt. Produzentin Gisela Marx hatte eineinhalb Jahre nach einer Juristin gesucht, die einer täglichen Sendung zu Profil verhelfen könnte. Die Präsidentin des Hamburger Landgerichts gab Barbara Salesch den Tipp, sich zu bewerben, "um zu zeigen, dass die Justiz nicht von grauhaarigen Männern dominiert wird". Da hatte die Richterin Salesch ihre Haare schon feuerrot gefärbt, "mit 40 fingen die nämlich an, zu ergrauen - deshalb". Ihr flinkes Mundwerk war sicher auch ein Grund, warum sie den Job bekam.

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Schneller als andere, sagt sie, war sie immer. Ungeduldig und schon in der Schule schlagfertig, notfalls auch mal mit den Fäusten, "das haben die Jungs schneller verstanden". Es regt sie auf, wenn Zeit verschwendet wird. Als junge Staatsanwältin machte sie sich in Hamburg einen Namen durch Eloquenz, freies Sprechen und unwiderlegbare Argumentation. Etliche Angeklagte sagten nach ihrem Plädoyer sogar: "Ich nehme das Urteil an."

Jura hat sie studiert, um unabhängig arbeiten zu können. "Als Richterin ist man unabhängiger als jeder andere." Sie hat in Hamburg Examen gemacht, war hier auch Referendarin. Später hat sie selbst Referendare geprüft. Und denen beigebracht, so zu reden, "dass man es lesen und verstehen kann. Wenn die Abitur haben, sprechen die noch einigermaßen normal, nach dem Staatsexamen sind die nicht mehr zu verstehen - warum?" Klare Ansage, kurz und präzise, ist eines ihrer Erfolgsrezepte.

Hat sie ein Darsteller-Gen? "Das wäre total falsch für einen Richter. Man braucht echtes Interesse für die Menschen, die Prozessbeteiligten müssen merken: Die ist wirklich daran interessiert, was war. Und blöd ist die auch nicht." Sie liebt die unendliche Vielfalt menschlicher Charaktere und Antriebe, auch wenn Fälle und Verhandlung vorab von der Redaktion "gescriptet" wurden, von ihr selbst redigiert und zurechtgeruckelt. Und dann im Akkord aufgezeichnet, drei bis vier Sendungen pro Drehtag, immer donnerstags und freitags. Aber wenigstens ohne die "Sklavenarbeit", die Urteile auch noch schriftlich begründen zu müssen.

Sie selbst hat keinen Fernseher zu Hause, "das ist vertane Zeit". Aber sie hat sich auf ihr neues Biotop im Unterhaltungs-TV eingestellt, seine Regeln gelernt und immer um die zwei Millionen Zuschauer angezogen, mal mehr, mal weniger. Es wurde ihr zweites Leben. Mit echten Juristen in den Nebenrollen, mit Schauspielern und Laien - 15 000 stehen in der Kartei für Angeklagte und Zeugen. Frauen oft mit tiefen Dekolletés und kurzen Röcken, gern auch Krawall und Zurechtweisung - "das braucht das Fernsehen". Ihre subtile Rache am Fügen in den Mainstream: Alle Chefpositionen, die in den Verhandlungen angesprochen werden, hat sie weiblich besetzt. Und wenn ein Kollege das Krawallige mal degoutant findet, sagt sie: "Herzchen, wenn du verhandeln kannst, spinnt keiner in deiner Verhandlung rum."

Wer mit Barbara Salesch redet, lernt lachen. Sie ist ansteckend fröhlich, wenn sie hier losprustet, da still in sich hineinlacht, dort hemmungslos losgiggelt. "Im Studio haben wir jede dritte Verhandlung unterbrechen müssen, weil die Vorsitzende sich vor Lachen nicht halten konnte." Vielleicht kommt sie auch deshalb gut mit sich allein aus, heiraten ist für sie kein Thema. "Es gibt genügend rechts und links. Ich bin ausgesprochen kommunikativ, aber die Richtlinien der Politik bestimme ich." Punkt, anderes Thema.

Jetzt kommt die Kunst. Seit mehr als 20 Jahren ist sie dabei. Schon in der Hamburger Zeit, als sie in Ottensen wohnte, hat sie angefangen mit Skulpturen, hat aus Sperrmüll bewegliche Kunstwerke zusammengeschweißt. "Ich baue auf und haue nichts aus etwas heraus." Das ist das Gegengewicht zu ihrem Beruf: sich nicht an Vorgegebenem abarbeiten. Heute besucht sie die Kunstakademie in Bad Reichenhall, hat Holzschnitte und Ölfarben für sich entdeckt. "Formstark bin ich schon, jetzt finde ich heraus, wie Farben ticken." Sie liebt das Nachdenken und Ausprobieren, das Drucken, Verwerfen - und zitiert Karl Valentin: "Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit." Hoch konzentrierte Arbeit, die meditative Züge annehmen kann. Das sind die Momente, in denen auch eine Barbara Salesch ihr Betriebstempo herunterfährt.

In einer ländlichen Gegend wohnt sie schon, und in einem Jahr, wenn sie sich in ihr drittes Leben eingewöhnt hat, will sie mit ihrem restaurierten Feuerwehr-Oldtimer, einem Ford FK 2000, Baujahr 1951, befreundete Künstler in Europa besuchen und mit ihnen gemeinsam arbeiten. "Die haben Wasser und Wein, aber oft kein Gästezimmer, das muss man dann einfach mitbringen."

"Richterin Barbara Salesch" Sat.1 zeigt derzeit die letzte Staffel Mo-Sa 15.00

www.galerie-barbara-salesch.de ;

www.kunstraub99.de