Er ist einer der gefragtesten Regisseure der Republik. Heute feiert Herbert Fritsch mit dem “Der Raub der Sabinerinnen“ Premiere am Thalia.

Thalia-Theater. Manche nennen ihn einen Volldampfregisseur. Für andere ist er der derzeit älteste Regienachwuchsstar. Letzteres findet er selbst "entzückend" - denn mit 60 Jahren hat Herbert Fritsch schon ein Theaterleben hinter sich. Von den 90er-Jahren an war er mit Unterbrechungen bis 2007 ein wichtiger Teil von Frank Castorfs Krawallinszenierungen an der Berliner Volksbühne. Kritiker nannten ihn eine "manngewordene Strapaze".

Er war einer, der auf der Bühne tobte, bis zur Erschöpfung, seinem Körper endlos viel zumutend. Doch irgendwann hatte er genug von den Grabenkämpfen in einem Diven-Ensemble und von brüllenden Regisseuren. Seine eigenen Schauspieler würde er nie so behandeln. Jetzt, da er selbst Regisseur ist und dazu einer der derzeit gefragtesten der Republik. Sein Siegeszug vollzog sich über die Provinz: Von Halle bis Oberhausen hat er inszeniert. "Ich habe mich dort sehr frei und unbeobachtet gefühlt", sagt Fritsch. Mit seiner Oberhausener "Nora" und dem Schweriner "Biberpelz" war er in diesem Jahr gleich zweimal zum Berliner Theatertreffen eingeladen.

Beinahe seriös wirkt er im Thalia-Restaurant "Weltbühne", in seiner schwarzen Outdoorkluft mit Hornbrille, das Silberhaar aufrecht wie in Alarmbereitschaft. Seit er als Erfolgsgarant gilt, kann er sich vor Anfragen nicht retten. Joachim Lux verpflichtete ihn für den Schwank "Der Raub der Sabinerinnen" nach Franz und Paul Schönthan und Curt Götz in einer Fassung von Sabrina Zwach. Das Stück, das heute Premiere im Thalia feiert, ist wie geschaffen für einen wie Fritsch. Es erzählt auf triviale, manchmal berührende, herzliche Art eine Geschichte im Theatermilieu, die auch ein wenig seine eigene ist.

Groteske über das Theater

Die Striesin

Ein Lehrer plant den eigenen Freitod, weil seine lange in der Schublade schmorende Römertragödie beim Publikum in Ungnade fällt. Doch die Tat droht zu misslingen vor dem Hintergrund allerlei familiärer Turbulenzen. Und auch sein Gegenüber, die von den Ungewissheiten der Künstlerexistenz gebeutelte Theaterdirektorin, leidet.

"Da steckt alles drin, was mich am Theater juckt. Was ich traurig, lustig, hysterisch finde", sagt er. "Das Manisch-Depressive an dem Job ist der Motor, zumindest für mich", sagt Fritsch, und man spürt, dass er beides sehr gut kennt. "Es gibt Tage, wo man mit dem Kopf an die Wand springen kann, ohne sich wehzutun. Dann wieder gibt es Tage von großer Wehleidigkeit, wo man sich aus einem Schwachsinn heraus umbringen will." Warum sollen es seine Figuren besser haben als er selbst? Sie straucheln durchs Leben und verheddern sich in seinen Fallstricken. Nur eines zählt: weitermachen. Das gilt auch für Fritsch, 1951 geboren in Augsburg, der bei den Großeltern in der Oberpfalz aufwuchs und seine Schulzeit in Hamburg verbrachte. Die Verhältnisse waren schwierig, zwischendurch lebte er als Junkie auf der Straße. Auch die Zeit nach dem Volksbühnenabschied war krisengeschüttelt. Doch von seiner Risikofreude profitieren heute die Zuschauer. Das Fritsch-Theater ist berüchtigt für seine radikale Künstlichkeit. Hysterie und Anarchie sind seine Stilmittel. "Subventionierte Theaterrevolutionäre" können Fritsch gestohlen bleiben. "Ich will die Leute verrückt machen, mit dem, was ich tue. Ich habe keine Botschaft. Hitchcock oder Louis de Funès, die machen etwas mit mir, räumen etwas auf, schütteln mich durch und geben mir Energie."

Den Text liest er einmal, dann schleppt er ihn nicht mal mehr zur Probe mit. "Ich lasse mir das von den Schauspielern vorspielen", sagt er. Seine Bühnenbilder fertigt er selbst. "Die Energie, die ich auf die Zuchauer übertrage, das Aufladen der Schauspieler ist elektrischer als jeder läppische Fernsehapparat", sagt Fritsch und blickt listig durch seine Brillengläser. "Das Theater ist eine geistige Großaufnahme. Es ist das modernste Medium überhaupt."

Der Raub der Sabinerinnen: 20.00, Thalia-Theater (U/S Jungfernstieg), Alstertor, Karten zu 13,50 bis 66,-: T. 32 81 44 44