Der Schweizer zählt zu den vielseitigsten Darstellern im Thalia-Ensemble. Jetzt ist er in Luk Percevals Inszenierung als “Macbeth“ zu sehen.

Hamburg. Bruno Cathomas gilt am Thalia-Theater bislang als der Mann für das Derbe. Komische. Hemmungslose. In Stefan Puchers "Andersen"-Inszenierung stolpert er wie häufig mit entblößtem, sichtbar rundem Bauch durchs Bühnenbild. In Jan Bosses Version von "Was ihr wollt" legt er mit Jörg Pohl lebenspralle Slapstick-Nummern hin. Von diesem Sonnabend an ist ein ganz anderer Bruno Cathomas zu erleben, wenn Luk Percevals "Macbeth"-Version Premiere am Thalia-Theater feiert. Einer, der Zwischentöne beherrscht. Nicht nur das Bühnentier.

"Der Zuschauer hat das Gefühl, bei mir im Kopf zu sein", sagt Cathomas. "Als würde er mir beim Denken zuschauen." Gerade hat er eine Probe hinter sich und ist total geschafft, aber beglückt. Die dunklen Augen blitzen. Den Fall des Tyrannen Macbeth, der sich, angestachelt von seiner Frau, zum König von Schottland mordet, hat Shakespeare-Experte Perceval bereits für die koproduzierenden Ruhrfestspiele Recklinghausen als ungewohnt intimes Kammerspiel inszeniert.

Von der blutgetränkten "Schlachten"-Ästhetik entfernt sich Perceval hier weiter. "Er arbeitet an seinem Verschwinden", sagt Bruno Cathomas mit koboldhaftem Lächeln. Es ist für ihn bereits die achte gemeinsame Arbeit mit dem Regisseur und bekennenden Buddhisten: Das schaffte Raum für die Entwicklung für Schauspieler und Regisseur. "Die Sinnsuche beschäftigt mich als Mensch und als Künstler."

Der gebürtige Schweizer Cathomas hat mit seinen 46 Jahren schon einige Theaterstationen hinter sich. In Berlin durchlebte er reibungsintensive Zeiten an der Volksbühne unter Regisseuren wie Kresnik, Marthaler und Castorf, später wechselte er an Thomas Ostermeiers Schaubühne, wo er etwa in der legendären "Shoppen und Ficken"-Aufführung mitwirkte. Erst in Basel kam er zur Ruhe und wurde zu einem wirklichen Extremisten seiner Kunst. Heute führt er auch gelegentlich selbst Regie. In Potsdam ist ihm sogar eine Shakespeare-Uraufführung geglückt.

Er spiele eigentlich gegen die Angst an, sagt Cathomas. Die Angst, nicht zu genügen, nicht schön genug zu sein. Während er das so sagt, wirkt er ganz bei sich. "Ich bin als Künstler in der Phase, wo ich jederzeit einen Wutausbruch auf die Bühne bringen kann. Aber ich mache jetzt seit drei Jahren das Gleiche." Perceval, mit dem Cathomas bereits an der Berliner Schaubühne gearbeitet hat, werfe sich nicht ans Publikum ran, sondern entscheide nach dem Inhalt und wage eine seltene Tiefe. "Ernst sein im Theater ist inzwischen fast eine politische Richtung", sagt Cathomas.

Und schließlich geht es in "Macbeth" um das komplizierte Innenleben der beiden Personen. Darum, dass der Grund der Brutalität auf einem posttraumatischen Ereignis beruht. Das Paar hat ein gemeinsames Kind verloren. Darüber entgleitet ihm die Menschlichkeit. Die Sinnfrage wird verschärft durch eine Auseinandersetzung mit Mythologie, denn drei Hexen prophezeien Macbeth die Königswürde.

Eine Rolle, die sich der Bauernsohn Cathomas früher nicht hätte träumen lassen. Lange Zeit sah er sich eher als Volksschauspieler. Seinen ersten Auftritt hatte er mit sieben Jahren. "Das war ein sehr komisches Krippenspiel", sagt er. Zugetraut hat er sich die Schauspielerei trotz erster Talentbekundungen lange nicht, erlernte zunächst das Schlosserhandwerk.

Später sang er in Kneipen italienische Arien. In der Hoffnung, dass ihn jemand entdeckt. "Es kam aber nur ein Manager von Andy Borg vorbei", erzählt er. Heute sind der Schauspieler und Mensch Cathomas so sehr verwoben, dass die einzelnen Aggregatzustände kaum zu unterscheiden sind. "Ich brauche keine Erholung. Das stört mich nur." Irgendeinen Text, um einem drohenden Leerlauf auszuweichen, findet Bruno Cathomas immer.

Macbeth Premiere Sa 22.10., 20.00, Thalia-Theater (U/S Jungfernstieg), Alstertor, Karten zu 13,50 bis 66,- unter T. 32 81 44 44, www.thalia-theater.de