Vor 100 Jahren wurde der Erfinder von Begriffen wie “Gutenberg-Galaxie“ und “Globales Dorf“ geboren. Sein Motto “Das Medium ist die Botschaft“.

Hamburg. Wie berühmt der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan einmal war, bewies sein Gastauftritt in Woody Allens Film "Der Stadtneurotiker" aus dem Jahr 1977. McLuhan sprang in der berühmten Szene dem genervt in einer Kinoschlange stehenden Allen bei - und fuhr einem verkopften und mit theoretischen Versatzstücken hantierenden Bescheidwisser in die Parade, der gerade dabei war, McLuhan zu zitieren.

Interessanterweise hat sich das nicht geändert: McLuhan, der heute 100 Jahre alt geworden wäre, ist zwar nicht mehr weltbekannt, wird aber immer noch zitiert. Seine postmortale Wirkung - er starb 1980 - zeigt sich in den Schlagworten, die seit zehn, 20 Jahren jeder Kaffeehaus-Philosoph und Kultur-Leitartikler im Mund geführt hat: "Die Gutenberg-Galaxis", "Das globale Dorf", "Das Medium ist die Botschaft" - Slogans für die Ewigkeit. Erfunden von einem Professor, der Genie war und Wahnsinniger.

McLuhans bekannteste Bücher heißen "Die Gutenberg-Galaxie" (erschienen 1962) und "Understanding Media" (1964), in ihnen sah er die Entwicklungen voraus, die sich aus dem technologischen Fortschritt ergaben. Er wusste, wie Fernsehen und Computer in unser Leben eingreifen würden.

McLuhan blickte nicht etwa in eine Glaskugel; nein. Er spielte auch nicht Nostradamus und las in den Sternen. Er schaute lediglich richtig hin. Deswegen konnte er 1962 Folgendes behaupten: "Der Computer als Forschungs- und Kommunikationsinstrument könnte die Recherche von Information steigern, die Zentralbibliotheken in ihrer bestehenden Form überflüssig machen, die enzyklopädische Funktion des Individuums wiederherstellen und in einen privaten Anschluss umkehren, über den individuell zugeschnittene Informationen sofort und für ihr Geld abgerufen werden können." Und weiter: "Weil Information zum größten Geschäft der Welt wird, wissen die Datenbanken mehr über einzelne Menschen als sie selbst. Je mehr die Datenbanken über jeden Einzelnen von uns aufzeichnen, desto weniger existieren wir."

Der Mann hat, man darf es so sagen, das Internet vorempfunden, als die Menschen in den Büros noch auf Schreibmaschinen tippten. Damals konnte noch niemand ahnen, wie recht McLuhan behalten würde.

Seine Thesen waren so kühn, dass er zum Intellektuellen-Superstar avancierte. Tom Wolfe, der damals ein Porträt über den Professor aus Toronto verfasste, verglich ihn mit den epochalen Geistern Newton, Darwin, Freud und Einstein. McLuhan hielt für viel Geld Vorträge und wurde wie ein Prophet empfangen. Der Mann beleuchtete das Medienleben der Menschen in nie da gewesener Weise. Dabei mochte er besonders das Fernsehen nicht, das sich anschickte, der Schriftkultur ihr Ende zu bereiten. McLuhan war ein Dramatiker, seine Beschreibungen trieb er immer auf die Spitze, denn in Wirklichkeit befand sich das Ende der Buchkultur zu seiner Zeit (als es noch keine E-Books gab) in weiter Ferne.

"Die Menschen wurden zu schnell mit zu viel Technologie gefüttert, und er wusste das. Gefiel ihm das? Nein! Er hasste, verabscheute und verachtete es. (...) Wie der Mann je als Technik-Guru wahrgenommen werden konnte, ist ein Rätsel", schreibt McLuhans kanadischer Landsmann Douglas Copeland, der Autor von "Generation X", in seiner McLuhan-Biografie (erschienen bei Klett-Cotta).