“Deutschlands einziger Playboy“ ist tot. Doch Gunter Sachs, der sich mit 78 Jahren das Leben nahm, war weit mehr als nur ein Lebemann.

Vor Kurzem noch hat er sich über Vertreter der modernen Spezies "Playboy" lustig gemacht, die auf Erotikmessen halb nackt in Mikrofone dröhnen, "dass sie jeden Tag eine andere knacken könnten". In solch einer anspruchsarmen Welt hatte Gunter Sachs sich nie bewegt. Jetzt nahm er sich wegen einer "ausweglosen Krankheit" das Leben.

Seine Familie veröffentlichte gestern Abend den Abschiedsbrief (siehe rechts) des 78 Jahre alten Fotografen, Kunstsammlers und Playboys, wie es "sein persönlicher Wunsch" gewesen sei. "Er war eine einmalige Persönlichkeit, die stets gradlinig und mit Herz für seine Familie und Freunde da gewesen ist", heißt es in der Erklärung, die im schweizerischen Gstaad verbreitet wurde, wo sich Sachs in seinem Haus erschossen hatte. Dem Vernehmen nach litt Sachs an Alzheimer. "Der Verlust der geistigen Kontrolle über mein Leben wäre ein würdeloser Zustand, dem ich mich entschlossen habe, entschieden entgegenzutreten", heißt es in dem Schreiben, das von Gunter Sachs unterzeichnet worden ist.

1962 kam der Lebemann und Unternehmer durch eine Romanze mit der persischen Ex-Kaiserin Soraya erstmals weltweit in die Schlagzeilen. "Wenn man eine besondere Frau erobern will, muss man einfallsreich und schnell sein", sagte Sachs in einem "Spiegel"-Interview anlässlich des Erscheinens seiner Biografie "Mein Leben" vor sechs Jahren. Er selbst habe beim Werben um weibliche Sympathien bewusst auf Statussymbole verzichtet und auf ethische Grundsätze geachtet. "Mit Sportwagen und teuren Anzügen kann man zwar auf sich aufmerksam machen, nachhaltig beeindrucken kann man Frauen damit aber nicht."

Um die französische Schauspielerin Brigitte Bardot zu erobern, setzte er dann doch immerhin einen Hubschrauber ein, um es Rosen auf ihr Anwesen in St. Tropez regnen zu lassen. Die Zahl der Blüten schwankt zwischen 10 000 und 100 000. Ausreichend war die Zahl in jedem Fall, denn kurze Zeit später heirateten die beiden in Las Vegas, und so glamourös und aufregend wie die Zeremonie war auch ihr gemeinsames Leben, jedenfalls als Frischverheiratete. In seiner Biografie beschrieb Sachs einen Liebesakt auf der Badeplattform eines Motorbootes im Mittelmeer vor St. Tropez, als beiden bewusst war, dass sie jeden Moment an einer Klippe zerschellen konnten: "Aber die Bedenken flogen in die Sommernacht."

Auch wenn sie bereits drei Jahre später beschlossen, getrennte Wege zu gehen, sollte Brigitte Bardot eine der Ersten sein, die von seinem Tod erfuhren. Brigitte Bardot sei "am Boden zerstört", hieß es vonseiten ihrer Stiftung für die Rechte der Tiere. Sachs soll die Stiftung Bardots regelmäßig unterstützt haben.

Er stand immer fest zu seiner Vorliebe für die schönen Dinge des Lebens. "Ob Pfau oder Frau, Fauna oder Flora. Jeder präsentiert sich lieber attraktiv als unscheinbar", sagte er 2009 bei einer Ausstellungseröffnung im Museum Frieder Burda. Mirja Larsson, ein schwedisches Fotomodell, kam da gerade recht: Nur 56 Tage nach der Scheidung von der französischen Filmlegende heirateten Mirja und Gunter Sachs. Heimlich, weil sein persönlicher Hofberichterstatter Michael Graeter ausnahmsweise mal die Tinte halten konnte (wofür der Klatschkolumnist später von Sachs unterstützt wurde, als er sich in einer juristischen Schieflage befand).

Dass die dritte Ehe von "Deutschlands einzigem Playboy" dann hielt und hielt - und zwar über 40 Jahre lang -, hat Gunter Sachs selbst augenzwinkernd mit dem Satz kommentiert: "In Wahrheit bin ich ein One-Girl-Guy."

Das eröffnet den Blick auf die ernsthafte Seite des Gunter Sachs, dessen Leben mit heftigen Schicksalsschlägen gespickt war: Sein Vater Willy, Großindustrieller mit Nazi-Vergangenheit, hatte sich 1958 mit einem Schuss das Leben genommen, woraufhin die beiden Sachs-Brüder Gunter und Ernst-Wilhelm in die Führung der Schweinfurter Kugellagerfabrik hineinkatapultiert wurden (sein Bruder Ernst Wilhelm kam 1977 bei einem Lawinenunglück ums Leben). Im selben Jahr starb seine erste Frau Anne-Marie Faure an den Folgen eines Narkosefehlers; aus der Ehe war sein Sohn Rolf hervorgegangen, mit Mirja hatte Sachs dann noch zwei weitere Söhne, Christian Gunnar (1971) und Claus Alexander (1982).

Und auch als er als Mitglied des Aufsichtsrats ein mondänes Leben führen sollte, indem er St. Tropez "entdeckte" oder dem verstaubten Wintersportort St. Moritz mit dem "Dracula-Club" 1974 juveniles Jetset-Leben einhauchte, so verlebte er sein Vermögen nicht, sondern er vermehrte es. In der Schweiz, wo er seit 1936 lebte, hatte er Mathematik und Wirtschaftswissenschaften studiert, doch sein Hauptinteresse galt der modernen Kunst und der Fotografie. Weil er zu Salvador Dalí, Yves Klein oder Roy Lichtenstein enge persönliche Kontakte pflegte, zählt seine Sammlung zeitgenössischer Kunst heute zu den bedeutendsten in Europa.

In Hamburg, wo Sachs bis 1973 eine Galerie besaß, stellte er 1971 als erster Galerist in Europa Andy Warhol aus und kaufte mehr als die Hälfte der Werke selbst, weil die Hamburger dem "Pop-Artisten" misstrauisch gegenüberstanden. "Hätte ich bloß alle genommen. Die Warhol-Preise stiegen anschließend in schwindelnde Höhen", ärgerte Sachs sich später.

Seine Kunstfotografien entpuppten sich dagegen oft als Zuschauermagneten. Die Ausstellung "Die Kunst ist weiblich" im Leipziger Museum der bildenden Künste sahen 2008 rund 53 800 Besucher. Diese Rekordmarke für das Haus wurde erst zwei Jahre später von Neo Rauch übertroffen.

Jetzt aber ist Gunter Sachs plötzlich nicht mehr da. Doch bei aller Ernsthaftigkeit passt sein selbstbestimmtes Ende nicht zu ihm. Dann doch eher auf Klippen zerschmettert werden, auf einem führerlosen Motorboot, in den Armen einer begehrten, geliebten Frau.