Die Schauspielerin liebt das Hamburger Publikum und hält es für eine “Katastrophe“, dass im reichen Hamburg offenbar das Geld für Theater fehlt.

Hamburg. Kaum ein Schauspielername ist so eng mit dem Deutschen Schauspielhaus verbunden wie der von Susanne Lothar. Hier war sie 1988 die legendäre Lulu in Peter Zadeks Inszenierung des Wedekind-Stückes, wurde mit der Rolle zur "Schauspielerin des Jahres". Hier spielte sie in "Andi", jenem Stück, bei dem den Zuschauern zur Eintrittskarte Ohrenstöpsel angeboten wurden. "Solche bahnbrechenden Aufführungen konnte man nur in Hamburg wagen", sagt sie, "hier ist man aufgeschlossen, neugierig, erwachsen, und die Zuschauer haben genau die richtige Mischung aus Intelligenz, Anbetung und Respekt."

Ihretwegen strömte das Publikum ins Schauspielhaus, später stand sie dann zumeist in Wien und Berlin auf der Bühne. Oder sie drehte Filme. Vor elf Jahren zog Susanne Lothar nach Berlin. Seit eineinhalb Jahren hat sie auch wieder eine Wohnung in Hamburg und pendelt zwischen beiden Städten. Was derzeit allerdings mit dem Schauspielhaus passiert, dem der Hamburger Senat 1,2 Millionen von seinem Etat wegnehmen will, darüber ist auch Susanne Lothar irritiert .

"Wenn Streichungen in diesem Umfang beschlossen und durchgesetzt werden, glaube ich, wird Hamburg mit der Elbphilharmonie allein nicht genug großartige Kunst präsentieren und großartige Künstler an die Stadt binden können", sagt sie. "Wer gut ist, wer gefragt ist, der hat einen entsprechenden Lebensstandard und der muss ja gedeckt werden. Wie kann es sein, dass in einer Stadt, in der so viel Geld ist, so viel weniger gezahlt wird als woanders? Ich glaube, dass hier inzwischen Menschen darüber entscheiden, die grundlegend kulturell nicht genug gebildet sind. Es kann doch nicht sein, dass es in der Stadt mit den meisten Millionären und den meisten Mäzenen nicht genug Geld für Theater gibt. Wenn Wuppertal kein Geld fürs Theater hat, wäre das ein Skandal. In Hamburg aber ist es eine Katastrophe, weil es hier ja Geld gibt."

Susanne Lothar ist in Hamburg aufgewachsen und kennt das Hamburger Theaterpublikum gut. Mit 19 Jahren hat sie am Thalia-Theater debütiert, gespielt hat sie auch an den Hamburger Kammerspielen und am Winterhuder Fährhaus. "Das Hamburger Theaterpublikum ist mir das liebste. Hier erkennt man die Differenzen zwischen Unterhaltung, schnell zusammengestrickt und dramatischer Kunst und belohnt die Schauspieler. Das Schauspielhaus ist mit keinem anderen Sprechtheater zu vergleichen. Es ist wunderbar, da zu spielen. Aber zu Hause fühle ich mich auch am Thalia. Dort habe ich angefangen, dorthin gehörte meine Mutter Ingrid Andree."

Lange galt Hamburg als wichtigste deutsche Theaterstadt. Das hing mit der Teilung zusammen, aber Berlin, das seinen Kulturetat unlängst um 18 Millionen Euro aufgestockt hat, ist inzwischen attraktiver für Schauspieler und Regisseure. "Berlin hat erkannt, dass Kultur der Schlüssel zur Welt ist", sagt sie. "Dort kann man vielleicht nicht so gut mit Fischbesteck essen und benimmt sich manchmal wie im Kindergarten, aber es ist jede Menge los."

Was eine Stadt verliert, wenn sie sich weniger für Kultur engagiert, weiß Susanne Lothar auch: "Kurt Körber, der große Hamburger Mäzen, hat so viel in die Hamburger Kultur investiert, weil er wusste, dass seine Fachleute, seine tollen Ingenieure nicht in Hamburg geblieben wären, wenn sie kulturell keine guten Angebote vorgefunden hätten. Wenn die Stadt weniger Geld für die Kultur ausgibt, verarmt nicht nur die Kulturlandschaft, sondern die Stadt insgesamt, dagegen möchte ich mich als gebürtige Hamburgerin und Hamburg-Liebhaberin wehren. Wenn man will, dass die Menschen hier gerne wohnen bleiben, muss man ihnen etwas bieten. Es treibt mir die Tränen in die Augen, wenn ich höre, dass hier ein Museum geschlossen werden soll." Und sie wundert sich, dass zur Eröffnung des Hamburger Filmfestes in der vergangenen Woche nicht 200 Zuschauer aufgestanden sind und sich über die Kürzungen im Kulturbereich beschwert haben, als Bürgermeister Ahlhaus seine Eröffnungsrede hielt. "Es geht hier nicht um Macht oder Rechthaberei", sagt sie, "es geht um das Leben in der Stadt, das ärmer, provinzieller, unattraktiver wird."

Man sollte nun eine Findungskommission bilden und schnell einen neuen Intendanten finden. "Warum nicht auf Karin Beier zugehen?", fragt sie. Beier ist Intendantin am Schauspiel Köln, das sie gerade zum "Theater des Jahres" gemacht hat. Und das Schauspielhaus sollte sich mit anderen Theatern verabreden, die hier tolle Gastspiele zeigen könnten. So könnte man demonstrieren, "dass es diese Art von Theater in Hamburg auch geben kann, wenn mehr investiert wird. Dem Schauspielhaus ist mit Geld allein allerdings nicht geholfen. Es muss auch einen Intendanten bekommen, der mit dem Geld richtig umgehen kann."

Könnte sich Susanne Lothar vorstellen, wieder in Hamburg Theater zu spielen? "Selbstverständlich", antwortet sie, "an jedem Hamburger Theater. Wenn die Kombination aus Regisseuren und Kollegen stimmt, sehr gerne sogar. Allerdings nur als Gast." Seit dem Tod ihres Mannes Ulrich Mühe ist sie alleinerziehend und dreht meist Filme. Demnächst laufen auf Festivals "Nemesis", der letzte gemeinsame Kinofilm mit Ulrich Mühe und Susanne Lothar und "Rausch", ein Film über Abschiebung und Tötung eines schwarzafrikanischen Drogendealers, für den die Filmstudentin Verena Jahnke in Hamburg recherchiert hat. "Das waren tolle Arbeiten", sagt Susanne Lothar, "aber ich würde wahnsinnig gerne wieder vor Hamburger Publikum spielen."