Überraschung vor der politischen Sommerpause: Steffen Seibert wird Regierungssprecher. Der ZDF-Journalist tritt sein Amt am 11. August an.

Berlin. Fernsehmoderatoren, hat Steffen Seibert vor Jahren gesagt, würden "grotesk" überschätzt: "Das ist der allerüberschätzteste Beruf, den es überhaupt gibt." Jetzt gibt Seibert seinen Job beim ZDF auf, um Regierungssprecher in Berlin zu werden. Das wiederum, könnte man sagen, ist eine Tätigkeit, die normalerweise eher unterschätzt wird. Immerhin steigt Seiberts Vorgänger Ulrich Wilhelm zum Intendanten des Bayerischen Rundfunks auf.

Während Wilhelms Weggang seit Mai feststand, ist Seiberts Berufung die letzte Überraschung vor der politischen Sommerpause. Selbst auf dem Mainzer Lerchenberg schien man perplex. Man sei enttäuscht, dass Seibert seine Perspektive nicht im Journalismus sehe, sagte ZDF-Chefredakteur Peter Frey. Und er fügte säuerlich hinzu, Seibert nehme seine bei "heute" und dem "heute journal" erworbene Glaubwürdigkeit in seine neue Aufgabe mit. Und Thomas Gottschalk, das Zugpferd des Zweiten, rief Seibert nach, er hoffe, dass er den "Abenteuerurlaub ... ohne Blessuren" überstehen werde ...

Seibert selbst erklärte, für ihn als leidenschaftlichen Journalisten sei das eine ganz unerwartete, faszinierende neue Aufgabe. Er nehme die Aufgabe in der Überzeugung an, "dass die Bundesregierung unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel die richtigen Schwerpunkte setzt, um unserem Land in diesen schwierigen Jahren eine gute Zukunft zu sichern".

Das waren schon mal erste staatstragende Töne von einem Mann, der Fleiß und Zähigkeit zu seinen Tugenden zählt. Der es hasst wie die Pest, wenn man ihn als "smart" bezeichnet, der das Private eisern unter dem Deckel hält beziehungsweise seltsam indifferent wirkt, wenn es sich nicht vermeiden lässt, über Persönliches zu reden. So hat Seibert, bevor er vor sieben Jahren die Moderation der "heute"-Sendung übernahm, bei Johannes B. Kerner gesessen und aus seiner Schulzeit in Hannover erzählt. Mitgemacht habe er damals, als die anderen bei Demos mitmarschiert seien und das Kultusministerium mit Farbbeuteln beworfen hätten. Das Warum war ihm entfallen. Eigentlich weiß man von dem Privatmann Seibert bis heute nur, dass er mit einer Malerin verheiratet ist, eine Tochter und zwei Söhne hat und gerne in die Oper geht.

Aber im Prinzip ist es natürlich nicht schlecht, wenn ein Regierungssprecher wie ein Mann ohne Eigenschaften wirkt. Denn nicht sich selbst, sondern das Regierungshandeln soll er ja verkaufen. Verbindlich in der Form, unerschütterlich in der Entschlossenheit, nicht einen Millimeter von der jeweils zuvor im Kanzleramt verabredeten Linie abzuweichen. Ein Regierungssprecher muss sich selbst vollkommen zurücknehmen können. Gelingt ihm das nicht, ist er fehl am Platz.

Steffen Seibert, Jahrgang 1960, ist gebürtiger Münchner. Sein Vater hat dort Kunstbücher verlegt. Nach Hannover verschlug es ihn, als sich die Eltern scheiden ließen. Seibert hat nach dem Abitur und nach seinem Zivildienst ein paar Monate in Südamerika verbracht, bevor er anfing, in Hamburg und später in London Geschichte und Literaturwissenschaften zu studieren. 1988 ging er als Volontär zum Zweiten Deutschen Fernsehen, wo er schnell und steil Karriere machte.

Steffen Seibert war Korrespondent in Washington, er hat das "morgenmagazin", "hallo deutschland" und "ZDF. reporter" moderiert. Für seine vorzüglichen Auftritte in den Sondersendungen zum Anschlag auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 wurde er mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. Anfang 2003 stieg Seibert dann zum Anchorman der "heute"-Nachrichten auf, und seit 2007 moderierte er außerdem noch das "heute journal".

Demnächst wird man ihn nun also selbst ab und an in den Nachrichten sehen. Als Kommunikationschef der Bundeskanzlerin. Dann wird Steffen Seibert all das brauchen, was schon Felix von Eckardt, das legendäre Sprachrohr Konrad Adenauers, in diesem schwierigen Amt für unerlässlich hielt: "Unerschütterliche Ruhe, großes Wissen, Humor, schnelle Reaktionsfähigkeit, Kenntnis der Gesetze, unter der die journalistische Arbeit steht, und jederzeit Hilfsbereitschaft."