Donnerstag startet “Sex and the City 2“ in den deutschen Kinos. Ein Kinoabend mit genussvollem Schwelgen in bekannten Klischees.

Hamburg. Carrie Bradshaw hat High Heels im Bett getragen. Sie ist New Yorks Straßen auf kolossal hohen Absätzen entlanggestakst, dass es einen beim Zusehen schmerzte, und wenn sie deprimiert war, half am besten ein Blick in den Schuhschrank, der eigentlich mehr ein kompletter Schuhladen war als eine Handvoll Regalbretter. Der Mann ihrer Träume hat deswegen auch nicht mit einem Ring um ihre Hand angehalten, sondern, richtig: mit dem passenden Schuh. Es ist also absolut keine Überraschung, dass Carrie alias Sarah Jessica Parker High Heels auch zur Burka kombiniert.

Manche Dinge ändern sich nicht. Das ist die beruhigende Botschaft dieses beginnenden Sommers, in dem die Sehnsucht nach ein bisschen Spaß und Prosecco-Leicht(sinn)igkeit mindestens so groß ist wie die nach dem endgültigen Sieg der Sonnenstrahlen über die Wintermantel-Temperaturen. So gesehen kommt der Kinostart von "Sex and the City 2" am Donnerstag (27. Mai) gerade recht; zur Einstimmung gab's Sonntag den ersten Kinofilm bei ProSieben. Einmal geht's in den Nahen Osten (Kino), das andere Mal vor den Altar (Fernsehen). Beide Male gibt es: Labels, Liebe, Leidenschaft.

Millionen werden zusehen. Besonders Hartgesottene haben sich bereits Karten gesichert für spezielle Frauen-Vorstellungen, genannt Ladies Night. Dann gibt es Sekt mit Strohhalmen aus kleinen Flaschen, im Foyer herrscht für gewöhnlich eine Aufbruchstimmung, als stünde keine Filmvorführung bevor, sondern die Präsentation etwas ähnlich Revolutionärem wie der Anti-Baby-Pille. Dabei gibt es in der Regel nicht mehr zu gewinnen als ein paar schöne Stunden, die davon künden, dass vier Freundinnen ein paar pinkfarbene Cocktails (nicht irgendwelche! Cosmos, Baby!) und die richtigen Schuhe manchmal ausreichen zum Glücklichsein. Nicht zu vergessen natürlich die Männer.

So flach, wirklich? Ja und nein. Es war nicht besonders tiefschürfend, was 2001 aus Amerika zu uns hinüberschwappte, aber es war, viel wichtiger, so noch nicht da gewesen: eine Fernsehserie, in der ganz offen und selbstverständlich in der Mittagspause über krumme Penisse und sexuelle Durststrecken gesprochen wurde, während die Salatsoße das Kinn herunterlief. Es ging niemals um Weltpolitik und soziale Missstände. Aber es ging um etwas. Um Frauen. Um Frauenklischees (alle Frauen wollen geheiratet werden) genauso wie um Wahrheiten über das weibliche Geschlecht (Frauen wollen darüber reden, ob sie geheiratet werden wollen).

Für jede Frau vor dem Bildschirm war eine Frau auf dem Bildschirm dabei, mit der sie sich identifizieren und die eigene Biografie abgleichen konnte. Minus dem Volumen der Kreditkarte, minus dem Attraktivitätsgrad der aktuell angesagten Männer, versteht sich.

Beinahe zehn Jahre später haben sich die vier Protagonistinnen nicht nennenswert weiterentwickelt. Sie sind immer noch: Miranda mit den Haaren auf den Zähnen. Charlotte mit dem Brett vorm Kopf. Samantha, die Männerfresserin. Und eben Carrie auf der Suche nach Mr. Right, der in diesem Fall Mr. Big heißt. Keine Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, sondern emanzipierte Heldinnen der Nullerjahre. Dass sie jetzt Familie haben, verheiratet sind oder Männer mit grauen Ansätzen im Haar daten, es ändert: exakt nichts. Gut, ihre Kleider sind in Marokko, wo Regisseur Michael Patrick King das Quartett hinverfrachtet, pyjamaähnlicher und wallender, die arabische Karaokebar entspricht nicht ganz der Klubszene Manhattans und man reitet auf Kamelen anstatt die Gazellenbeine ins nächste Taxi zu schwingen. Aber sonst: alles beim Alten. Die Probleme (Wie werde ich älter, ohne alt zu werden?), Irrwege (Ex-Freunde) und Lösungen (Finde deinen eigenen Weg zum Glücklichsein!) - so simpel, so befriedigend.

Dass "SATC" so schnell Kult wurde, hat mit der totalen Überschaubarkeit der Serie genauso viel zu tun wie mit dem hemmungslos zelebrierten Frau-Sein, das sich am auffälligsten in den modischen Ekstasen manifestiert - erdacht von Kostümbildnerin Patricia Field, die den Reiz der Serie einmal so erklärte: "Es ist, als wären weltweit Millionen Frauen Mitglied in einem exklusiven Klub." Field steckte Carrie in Pfauenröcke und Bauschekleidchen mit Pailletten, setzte ihr Puschel-Haarreifen und silberne Krönchen ins Haar und nicht selten sah ihr Outfit so aus, als würde sie sich gleich aufs nächste Pferd schwingen und davongaloppieren. Doch egal, was Carrie trug, sie behielt ihre Würde. Auch in goldenen Hotpants.

Ist das Bedürfnis, sich mit Sex, Mode und Männern zu beschäftigen, im Jahr 2010 tatsächlich so groß? Der Burda-Verlag glaubt ja. Und bringt dieser Tage "Alley Cat" ("Straßenkatze") in die Läden, ein Erotik-Magazin für junge Frauen. Eine irritierende Mischung aus Sexspielzeugtests, erotisierenden Kuchenrezepten, Unterwäschemodellen und Busen-Bildern. Die Botschaft: Frauen, traut euch ruhig mal was! Es ist das Einzige, was das Magazin mit dem Kinofilm gemeinsam hat. Denn wo "Alley Cat" (trotz Chefredakteurin) Frauen eher mit dem Männerblick sieht, hat "SATC" (trotz männlichen Kreativchefs) eines immer getan: Frauen ernst genommen. Ihre Sehnsüchte, das Dreimal-Um-die-Ecke-Denken und, ja verdammt, auch diese Sache mit den Schuhen.