Als Sänger suchen Schauspieler zweiten Ruhm - aber nicht jeder schafft den Sprung ins Musikbusiness. Heute will es Kevin Costner wissen.

Hamburg. Die Leserinnen einer Frauenzeitschrift wählten ihn zum erotischsten Mann des Planeten. Das war in den 90er-Jahren. Damals tanzte Kevin Costner auf der Leinwand noch mit dem Wolf, mimte Whitney Houstons Bodyguard und brach als Flaschenpostschreiber Frauenherzen. Inzwischen sind seine Aktien in Hollywood gefallen wie nach einem Börsencrash. Warum sich nicht also mal in einem anderen Metier versuchen als in der Schauspielkunst? Einmal heraustreten aus dem Scheinwerferlicht Hollywoods, das deutlich an Leuchtkraft verloren hat, und eintauchen in die Enge eines Musikklubs, in dem man die Nähe der Fans spüren und ihre spontanen Reaktionen erleben kann. Mit 55 versucht Kevin Costner sich jetzt als Rocksänger.

Ganz neu ist der Typus des singenden Schauspielers nicht. Immer wieder hat es Kollegen und Kolleginnen von Costner gegeben, die sich in Rock und Pop ausprobieren wollten. Wobei oft nicht ganz klar wurde, ob es zum Beispiel für Bruce Willis wirklich ein quälender Drang war, seine Gefühle in Songs auszudrücken, oder ob er schlicht mal erleben wollte, wie viele Groupies nach einem Konzert seine Garderobe stürmen würden. Wer eine seiner Shows erlebt hat, konnte spüren, dass hier einer mit dreckigem Rhythm & Blues die Sau rauslassen wollte.

Dass jemand wie Charlotte Gainsbourg einmal ins Studio gehen würde, überrascht angesichts ihrer familiären Herkunft nicht besonders. Ihr Vater Serge war einer der größten Chansonsänger Frankreichs, ihre Mutter Jane Birkin wird als Schauspielerin und als Sängerin gleichermaßen gefeiert. "Ich habe mich nie als Musikerin gefühlt, aber ich habe den Geschmack auf der Zunge", sagte Charlotte Gainsbourg 2006 im Abendblatt-Interview zu ihrem Electro-Pop-Album "5.55". Sie verfügt zwar nur über ein dünnes Stimmchen, doch die Französin hatte das Glück, mit wirklich coolen Produzenten und Songschreibern wie ihren Landsleuten von Air und Jarvis Cocker zusammenarbeiten zu dürfen und bekam zudem einen Fragilitätsbonus. In Frankreich landete ihr Album auf Platz eins.

Auch Scarlett Johannsson profitierte von ihrer enormen Film-Popularität, als sie ihr erstes Album "Anywhere I Lay My Head" mit Tom-Waits-Songs aufnehmen durfte. "Als Kind wollte ich so werden wie Frank Sinatra und so singen wie er", sagt sie. Hat nicht ganz hingehauen, aber immerhin konnte sie sich einen Traum erfüllen und hat inzwischen sogar schon zwei Alben besungen.

Eine Ausnahme in diesem Reigen der singenden Schauspieler ist Juliette Lewis. Die Amerikanerin, durch "Natural Born Killers" berühmt-berüchtigt geworden, lebt seit einigen Jahren ihre Rock-'n'-Roll-Träume aus. Mit ihrer Band, den Licks, gibt sie mehr als 100 Konzerte im Jahr, Dreharbeiten spielen in ihrem Leben nur noch eine Nebenrolle. "Musik machen macht mehr Spaß, als auf Befehl zu schreien, zu lachen oder zu weinen, wie es das Drehbuch vorschreibt", sagt sie. Juliette Lewis ist live eine Rampensau, wie es nur wenige in der aktuellen Rockszene gibt. Wer etwa 2007 beim Reeperbahn-Festival erlebt hat, wie sie sich in die Menge warf, weiß, dass sie es mit der Nähe zu ihren Fans ernst meint.

Kevin Costner scheint zu der Sorte von Schauspieler-Troubadouren zu gehören, die eine Botschaft haben. "Ich habe die gleichen Träume und die gleichen Probleme wie alle Menschen, ich kenne Schmerz, Enttäuschung, Liebeskummer und Sehnsucht", sagt er. Die besingt er in Songs, die "Let Me Be The One", "The Way You Love Me" oder "All I Want From You" heißen und sämtliche Klischees bedienen, die zu einem kernigen Rock- oder Country-Song alter Schule dazugehören.

Dafür scheint sich Costner in seine eigenen Jahre als Twen zurückgebeamt zu haben, um mit Musik aufzutauchen, die in den 70er- und 80er-Jahren von Bands wie Boston, Toto oder REO Speedwagon populär wurde. "Adult Orientated Rock" sagt man heute dazu oder "Altmänner-Rock"; seither sind Generationen neuer Bands über die Bühnen gerockt.

Auch wenn sein Album "Turn It On" eher von mittelmäßiger Qualität ist - der Name zieht. Fast 2000 Tickets sind für sein heutiges Konzert im CCH bereits verkauft. Sein jüngerer Kollege Jared Leto zog mit seiner Band 30 Seconds To Mars am vergangenen Montag sogar 6000 Fans in die Sporthalle Hamburg, eine Zahl, die selbst Konzertveranstalter Karsten Jahnke überraschte. Jahnke würde gerne noch einmal Bruce Willis auf die Bühne holen. Vor ein paar Jahren mobilisierte der bei einem Vorlauf von nur acht Tagen 1600 Zuschauer in Berlin. Doch Willis hat seine Musikkarriere seit einiger Zeit ruhen lassen.

Stage-Diving wie bei Juliette Lewis und Bühnen-Gepose wie bei Jared Leto werden Costners Fans heute Abend sicher nicht erleben. Dafür ist das CCH nicht der richtige Ort und der Star des Abends doch zu bieder. Gut passen würde Costners Rock in eine Trucker-Kneipe oder in einen Saloon, wo man den Rhythmus mit Bierflaschen mitklopfen kann. Das wird leider im Congress-Centrum auch nicht gehen, denn: Das Mitnehmen von Getränken in den Saal ist verboten.

Kevin Costner heute um 20 Uhr im CCH (S Dammtor), Karten gibt es ab 37,90 Euro an der Abendkasse.