Der Traum vom schönen Leben im Westen wird für Dajana und Anastasia zum Albtraum. Aus der russischen Heimat verschleppt, arbeiten die jungen Frauen in einem Dortmunder Bordell als Prostituierte, abhängig von ihren Zuhältern, gedemütigt von ihren Freiern. Bei einer Schießerei stirbt Dajana, eine andere Frau wird schwer verwundet. Als die Polizei am Tatort auftaucht, sind die Zuhälter verschwunden, Anastasia mit ihnen.

Niemand kann sich in Norbert Horsts Kriminalroman „Mädchenware“ anfangs einen Reim auf die Geschichte machen. Krieg in Dortmunds Zuhälterszene? Kommissar Thomas Adam, den sie Steiger nennen, übernimmt die Ermittlungen und muss im Laufe der Recherchen feststellen, dass er ganz persönlich in den Fall involviert ist. Er kennt die schwer verletzte Prostituierte. Was soll er tun? Sich den Kollegen offenbaren?

Krimipreisträger Norbert Horst, im Hauptberuf selbst Kriminalhauptkommissar, ist ein versierter Erzähler. Stilistisch schnörkellos entwickelt er seine Geschichte um zerplatzte Träume und begrabene Hoffnungen in einer schlüssigen Dramaturgie. Mit dem Ermittler Steiger (ein Schalke-Fan in Dortmund!) hat Horst eine Figur geschaffen, die im prosaischen Polizistenalltag, in emotionalen Krisen wie auch in lebensbedrohlichen Einsätzen glaubhaft agiert.

Steiger kommt dem Rätsel erst langsam auf die Spur, ein erschossen in einem Wohnwagen in Tirol aufgefundener Zuhälter gibt einen ersten Hinweis. Nachdem Steiger einen BMW-X5-Fahrer, Geschäftsführer eines Chemieunternehmens, ausfindig machen kann, kommt er dem, was sich wirklich in dem Bordell abgespielt hat, immer näher. Der Mann – gut situiert, verheiratet, zwei Kinder – war an jenem Abend dort zu Gast. Bei der Schießerei trug er eine Beinwunde davon, er vermittelt Steiger den entscheidenden Kontakt. Dass aber auch die junge Russin Nadeschda sich aufgemacht hat, um ihre Freundinnen Dajana und Anastasia zu finden, ahnen Steiger und seine Kollegin Jana lange Zeit nicht. Als sie es erfahren, geraten die Frauen in tödliche Gefahr.

„Mädchenware“ ist ein packender, ein bedrückender Polizeiroman.

Norbert Horst: Mädchenware Goldmann, 352 Seiten, 8,99 Euro

Volker Albers schreibt an dieser Stelle regelmäßig über Kriminalromane