An diesem Freitag bringt die Hamburger Band mit „Niveau Weshalb Warum“ ihr sechstes Studioalbum heraus

Hamburg. Wände und Schaufensterscheiben sind vollgehängt mit Plänen und Listen. „Das sind hier unsere Deadlines“, erklärt Philipp Grütering. „Die sind wichtig, sonst würden wir nie fertig werden.“ Sie sind fertig geworden, die Jungs von Deichkind, denn an diesem Freitag erscheint „Niveau Weshalb Warum“, das sechste Studioalbum der Hamburger Hip-Hop-Electro-Band.

Zum Interview empfangen Grütering und Sebastian „Porky“ Dürre, die Texter, Sänger und Rapper der Combo, in den Räumen von Sultan Günther Music. Dahinter verbirgt sich das erst ein halbes Jahr alte Label von Deichkind. Ursprünglich in Bergedorf gegründet, hat Deichkind sein Hauptquartier mitten nach St. Pauli verlegt. „Ist ganz cool hier“, sagt Dürre. „Das Schöne ist auch, dass man hier über die Straße gehen kann und keiner erkennt einen.“ Was auch daran liegt, dass Deichkind in den vergangenen Jahren keinen Personenkult betrieben hat, bei ihren Bühnenshows treten die Musiker grundsätzlich in Verkleidungen auf.

„Niveau Weshalb Warum“ nimmt den Titelsong der „Sesamstraße“ auf, die 15 neuen Songs strotzen vor Witz und stehen in der Tradition des Hamburger Hip-Hop, der vor 15 Jahren durch Absolute Beginner, Fettes Brot, Eins, Zwo und eben Deichkind zum Nonplusultra der deutschen Szene geworden war. „An den Texten haben wir uns ganz schön die Zähne ausgebissen“, sagt Dürre. „Das war eine Art lyrischer Seziertisch. Du denkst, du bist fertig und dann kommt der Produzent und sagt: ,Das ist es noch nicht, die Zeile stimmt noch nicht. Noch mal ransetzen.‘ Du schreibst und schreibst und schreibst und dann wird daraus eine Art Hassliebe“, beschreibt Dürre die Schwierigkeit des Songschreibens. „Zum Glück gibt es ja die Deadlines“, wirft Gütering ein und lacht. Spaß haben die beiden auch gehabt, als sie sich für ihre kreative Zusammenarbeit einige Wochen lang ins Wendland zurückzogen. Auch im Haus von Rocko Schamoni in Ostholstein haben sie an den neuen Songs gearbeitet.

Grütering und Dürre sind das Herz von Deichkind. Auch Ferris MC gehört weiter zur Gruppe, allerdings ist er durch seine Solokarriere als Rapper und Schauspieler sehr eingespannt, sodass er an der Vorbereitung des Albums nur eingeschränkt beteiligt war. Und Henning Besser, bekannt als DJ Phono, kümmert sich bei Deichkind vor allem um die Bühnenshow und den Aufbau von Sultan Günther Music. „Wir stellen Henning unsere Musik vor, er hat die Funktion eines Consultant“, erklärt Grütering, aus dessen Soundbibliothek die meisten Basistracks stammen. „Unser Hauptfokus liegt auf den Texten und nicht auf der Musik“, ergänzt er.

„Niveau Weshalb Warum“ beschäftigt sich auf gewohnt humorvolle Art mit Phänomenen wie den sozialen Netzen („Like mich am Arsch“), Grütering und Dürre haben eine Hymne auf ihren Kollegen Ferris geschrieben („Was habt ihr?“), sie nehmen Werbesprüche aufs Korn („Powered By Emotion“), äußern ihre Abneigung gegen viele Arten von Menschenansammlungen („Hauptsache nichts mit Menschen“), verkaufen Demagogen-Weisheiten („Denken sie groß“) und beschreiben eine Sucht, die mal nichts mit Alkohol oder Drogen zu tun hat („Naschfuchs“). Eine Party-Nummer findet sich auf der neuen Platte ebenfalls, es ist das Titelstück „Niveau Weshalb Warum“.

Aufgenommen wurde das Album in Berlin. Grütering lebt dort bereits seit einigen Jahren mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen. Mit dem Musiker und Produzenten Roland Roy Knauf hat er dort ein Studio aufgebaut, in dem auch „Niveau Weshalb Warum“ fertig produziert worden ist. „Das Studio steht in Kreuzberg in einem Komplex, wo auch Seeed und Rosenstolz produzieren. In der Berliner Szene geht gerade mehr als in Hamburg“, meint er.

Sultan Günther Music hat trotz der quirligen Szene in der Hauptstadt seinen Sitz auf St. Pauli. „Wir haben uns schon länger mit dem Gedanken getragen, ein eigenes Label zu gründen, waren aber durch einen Plattenvertrag an Universal gebunden. Jetzt dürfen wir alle Entscheidungen selbst treffen. Sultan Günther macht viel Spaß, ist aber auch viiiiel Arbeit“, sagt Grütering.

Neben der Promotion für das aktuelle Album, muss die kommende Tournee vorbereitet werden. Mehr als 30 Leute sind ins Unternehmen Deichkind involviert, die meisten während der Auftritte. „Eine völlig neue Show wird es nicht geben, aber die neuen Songs müssen ins Konzept integriert werden“, sagt Dürre. Das wiederum ist die Aufgabe von Henning Besser, der die „Omnipods“ konstruiert hat. Diese beweglichen Türme sind zentrales Element der Bühnenshow. Die findet nur noch in großen Hallen statt, in Hamburg am 1. Mai in der O2 World. „Aber wir denken auch über ein Konzept für Clubs nach, wo nur fünf bis sechs Leute dabei sind“, sagt Grütering. Sein Blick fällt auf die Listen an der Wand. Irgendeine Deadline gibt es immer.