Hamburg. „Rausch“ hat das Ensemble Resonanz sein jüngstes Konzert im kleinen Saal der Laeiszhalle überschrieben. Schon das Wort ist ein Hingucker. Allein welcher Art wäre er, dieser Rausch? Benebelte Dumpfheit, die den Kater und die Übelkeit vom nächsten Morgen schon schmecken lässt – oder völlige Hingabe bei erweitertem, aber klarem Bewusstsein?

Schon klar, welcher Rausch-Richtung das Programm zuneigte; man muss ein bisschen wahnsinnig sein, wenn man den empfindsamen Carl Philipp Emanuel Bach aus dem 18. Jahrhundert mit dem abgedrehten Avantgardisten Brian Ferneyhough zusammenspannt und Schumann mit dem Renaissancekomponisten Gesualdo. Und erst die Spielweise! Unmöglich, bei Bachs G-Dur-Streichersinfonie still auf dem Stuhl sitzen zu bleiben. Mit allem Risiko stürzten sich die Musiker in die irrwitzigen Läufe, begleitet übrigens von einem giftgrünen Cembalo. Dass mit Bachs jähen Stimmungsumbrüchen oft auch ein Wechsel des harmonischen Bezugspunkts einhergeht, macht die Sache nicht nur aufregend, sondern auch anfällig für Intonationstrübungen.

Hinreißend, wie die Musiker – übrigens für jedes Stück in anderer Besetzung – unter der Leitung von Peter Rundel die Bearbeitung Schumanns „Sechs Fugen über B.A.C.H.“ zum Anlass für einen Gang durch die Stilgeschichte nahmen: Klangen sie zunächst fadengerade wie ein Gambenconsort, so mischte sich immer mehr Romantisches hinein und schließlich Special Effects wie gläserne Klänge, Hauchen und Zittern.

Den Titel „Ehrenwahnsinniger“ hatte Rempe schon vorweg an Piet van Bockstal vergeben, der am Tag selbst für den Oboenpart in Ferneyhoughs „Allgebrah“ von 1996 eingesprungen war. Mehr als berechtigt waren diese Vorschusslorbeeren dafür, wie der Oboist die hochvirtuose, komplexe Musik mit den Streichern zu verschiedensten Charakteren entfaltete und eine Geschichte voll suggestiver Bilder erzählte.

Verstörend und betörend auch das Wechselspiel von Licht und Schatten in den Madrigalen von Gesualdo. Und mit Hugo Wolf hatte sich das Ensemble einen weiteren „Wahnsinnigen“ erkoren. In dessen Streichquartett d-Moll fauchten die Drachen im Unterholz, die verwickelten Fugen waren ordentlich Futter, ohne langweilig zu werden. So ganz homogen klang das Ensemble nicht; das Stück darf gerne noch ein wenig abhängen. Das ist andererseits der Preis der unerhörten Frische. Wer würde ihn nicht gern bezahlen?