Eine Glosse von Armgard Seegers

„Sitzen ist das neue Rauchen“ habe ich neulich gelesen. Gemeint war damit die gesundheitsgefährdende Wirkung, die die mittlerweile 7,5 Stunden tägliches Sitzen haben soll. Exzessives Sitzen ist „eine tödliche Aktivität“ behauptet der Wissenschaftler James Levine. Wer sich jetzt nicht angesprochen fühlt, weil er mit zwei wöchentlichen Jogging-Runden und ein paar Sit-ups auf sein Bewegungskonto einzahlt, irrt sich leider. Sport ist nicht geeignet, die negativen Effekte langen Sitzens auszugleichen. Das Einzige, was gegen langes Sitzen hilft: nicht lange sitzen. Dabei hätte uns bereits die Sprache vor dem Sitzen warnen können: In der Schule bleibt man sitzen, man wird sitzen gelassen oder versetzt, schlimmstenfalls sitzt man ein, das heißt doch, wer sitzt ist faul, dumm, unbeliebt oder kriminell.

Sind Kulturinteressierte sogar doppelt gefährdet? Denn was macht man im Konzert, Kino oder Kabarett? Sitzen natürlich. Ähnliches gilt für Theater, Ballett, Vorträge und das Lesen. Da hilft es auch nichts, wenn man alle Anweisungen für ein langes Leben befolgt: fünf Portionen Obst und Gemüse täglich, keine Zigaretten, wenig Süßigkeiten, maximal ein Bier oder ein Glas Wein, ausreichend Schlaf und im Sommer immer Sonnenschutz. Wer macht das schon? Nicht zu vergessen die drei Liter Wasser, die man jeden Tag in sich hineingluckern soll. Was also tun? Erst mal hinsetzen und drüber nachdenken. Bis die Lektion richtig sitzt.