Die ARD zeigt dienstags am Vorabend die Serie „Unter Gaunern“. Helden sind die kriminellen Mitglieder einer Familie.

Acht Fernsehfolgen lang wird Bremen vorübergehend zur Hauptstadt des Verbrechens. „Unter Gaunern“ heißt die neue Vorabendserie, die am heutigen Dienstag startet. Erzählt wird die Geschichte einer etwas anderen Familie. Die Schulzens verbindet nicht nur ein ähnlicher genetischer Fingerabdruck, sondern auch ihr Hang zur Kleinkriminalität. Aber natürlich haben sie viel Familiensinn und auch eine Gaunerehre, wie sollte es in einer gediegenen Hansestadt auch anders sein.

Es ist wirklich eine Familie, die auf Traditionen hält. Ihr Zuhause nennen sie Alcatraz. Großvater Frans (Peter Franke) hat wegen Raubes, illegalen Waffenbesitzes und Widerstands gegen die Staatsgewalt eingesessen. Der ehemalige König der Bremer Unterwelt träumt immer noch von seinen Vorbildern: Machine Gun Kelly, Al Capone und Scarface hängen in seinem Zimmer als Porträts an der Wand. Sein Sohn Bruno (Jophi Ries) hat es mehr mit dem Raub und dem Schmuggeln. Erschütternd brav ist seine Frau Jette (Julia Jäger). Die friedliebende Blondine kann aber immerhin eine aktenkundige Republikflucht vorweisen. Sohn Robbie (Moritz von Zeddelmann) hält sich für unwiderstehlich und handelt zeitgeistig mit anabolen Steroiden.

Dreh- und Angelpunkt der Geschichten ist aber Tochter Betty (Cristina do Rego). Sie arbeitet, was natürlich keiner wissen darf, bei der Polizei, ist also das schwarze beziehungsweise weiße Schaf in der Familie. Gerade erst hat sie die Prüfung als „beste Polizeischülerin aller Zeiten“ bestanden. Die Kollegen wollen sie deshalb standesgemäß zu Hause abholen und ins Präsidium eskortieren. Deshalb rücken sie mit neun Streifenwagen an, was in der Familie eine Menge Abwehrreflexe auslöst. Mutter Jette öffnet die Tür, und Bettys Schwindel droht aufzufliegen, würden die Beamten nicht überraschend zu einem angeblichen Noteinsatz gerufen: einer Entführung, „vermutlich al-Qaida“.

Das ist natürlich nur ein Ablenkungsmanöver, denn den entsprechenden Notruf hat Carmen (Kaya Marie Möller) abgesetzt, um ihre beste Freundin aus der Bredouille zu befreien. Sie betreibt ein Fitnessstudio, in dem Betty arbeitet – zumindest glaubt das ihre Familie. Ständig muss sie Bettys angeknackste Seele streicheln und ihr ausreden, dass der Preis für ihre Lüge doch nicht der Verzicht auf ihre große Liebe sein muss.

Auch bei der Polizei hat Betty es schwer. Ihre Chefin, Hauptkommissarin Wolff (Barbara-Magdalena Ahren), ist ein bärbeißiger und humorfreier Typ, von Selbstironie ist bei ihr keine Spur. Stattdessen wirft sie mit Sprüchen wie „Wir sind der Schließmuskel der Gesellschaft“ um sich und droht, Betty ins Archiv abzuschieben.

Ein Gegengewicht zum Überangebot der Fernseh-Kommissare wollten die Programmmacher mit dieser Serie schaffen. Und so bekommt nun auch das organisierte Verbrechen ein paar Sympathieträger – zumindest im Fernsehen. Denn so richtig böse sind die Schulzens natürlich nicht, glänzen eher durch bewaffnete Schrulligkeit. „Nach so vielen Geschichten, in denen die Ermittler als Helden agieren, war es einfach mal an der Zeit, sich auf die Seite der Gauner zu schlagen. Das hatten sie sich verdient“, sagt Headautor Christian Jeltsch.

Erzählt wird ziemlich locker, manchmal nahe am Slapstick. Der Trend Kriminalität und Komik zu verbinden, bereits erfolgreich im „Tatort“ aus Münster, in „Mord mit Aussicht“ und im „Tatortreiniger“ praktiziert, findet hier seine Fortsetzung. Der Krimianteil ist eine zu vernachlässigende Größe. „Unter Gaunern“ ist eine Familienserie, die viel Wert auf Lässigkeit und coole Sprüche legt. Überraschungen sind nicht ausgeschlossen. Die Nummernschilder ihrer betagten Lieferwagen kann Familie Schulz auf Knopfdruck rotieren lassen. Das ist fast schon wie bei James Bond – vor 50 Jahren.

Von den vielen Großstadtrevieren der Bundesrepublik ist Bremen, was die Schauwerte angeht, eines der unverbrauchtesten. Die Produktion X Filme versuchen sich hier unter Mithilfe von Radio Bremen zum ersten Mal an einer Fernsehserie. Die Emotionen der Charaktere sollen wahrhaftig erzählt werden, hat Jeltsch gefordert.

Mal sehen, ob das Publikum Lust hat, mit dieser Familie unter diesen Bedingungen zusammen auf die schiefe Bahn zu geraten.

„Unter Gaunern“ Di, 18.50 Uhr, ARD