„Die Lücke“ vom Schauspiel Köln glänzt bei den Lessingtagen im Thalia

Hamburg. „Die Lücke“ ist nicht zu übersehen. Ein Graben zwischen zwei großen weißen Bühnenteilen, die mal als Austragungsort, mal als Projektionsfläche von Video-Interviews fungieren. In der Mitte steht eine Laterne, an die sich ein Fahrrad lehnen wird. Auf der Leinwand erzählt eine Frau, sie trägt Kopftuch, davon, dass in dem Friseurladen die Spuren der Nagelbombe belassen wurden. „Sonst glauben die Leute nicht, dass das passiert ist.“

Symbolträchtig erinnert Autor und Regisseur Nuran David Calis an jenes Attentat in der Keupstraße am 9. Juni 2004, als, wie sich später herausstellen wird, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt von der Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund eine Nagelbombe zündeten, die 22 Menschen verletzte, vier von ihnen schwer.

Mit drei Schauspielern vom Schauspiel Köln und drei Laiendarstellern, allesamt Zeugen des Anschlags und Bewohner der für ihr orientalisches Flair bekannten Köln-Mühlheimer Keupstraße, will Calis mit seinem Stück „Die Lücke“ genau diese aufzeigen. Die Missverständnisse und Gräben zwischen Straßen, zwischen einer Mehrheitsgesellschaft und ihren migrantischen Mitbewohnern und nicht zuletzt die Lücke in uns allen. Die Kluft zwischen Toleranz und Vorurteilen. Das gelingt ihm offensiv mit den Mitteln der Konfrontation: Auch wenn hier drei von schlechtem Gewissen geplagte Menschenversteher auf Vorzeigemigranten treffen.

Da erzählt die Reisebüroangestellte Ayfer Şentürk Demir, dass ihre Mutter jahrelang ein Problem damit hatte, dass ihr Bruder eine Deutsche geehelicht hat. Heute sind Mutter und Schwiegertochter beste Freundinnen. Bewusst führt der Regisseur Laien und Profis auf der Bühne zusammen. Das semi-dokumentarische Verfahren schafft eine größtmögliche Authentizität.

Manche Überspitzung wie das Einüben von muslimischen Gebetsstellungen wäre dabei verzichtbar. Am Ende überträgt sich die Empörung über skandalöse Ermittlungen, die die Täter vor allem in Familienfehden und einem kriminellen Milieu vermuteten, ganz von selbst auf die Zuschauer. Ein Abend, bei dem das Politische und weniger das Ästhetische im Vordergrund steht. Ein wichtiger Abend.

„Um alles in der Welt – Thalia Lessingtage 2015“ bis 8.2., Thalia Theater, Alstertor, Karten T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de