Hamburg. Dass die Musen in England keine Heimstatt hätten, wird heute niemand mehr im Ernst behaupten. Doch erschöpft sich die Musik des Inselreichs nicht mit Henry Purcell und Benjamin Britten, Beatlessongs und Pomp and Circumstances. Das 20. Jahrhundert bescherte den Briten eine Fülle musikalischer Kronjuwelen, die auf dem Kontinent nur zögerlich wahrgenommen werden.

Grund genug für Jeffrey Tate, den Hamburgern diesbezüglich die Ohren zu öffnen. Dass Edward Elgar außer Märschen nicht nur die bekannten „Enigma-Variationen“ schrieb, sondern seinen Landsleuten mit der 1. Sinfonie überhaupt die erste große Sinfonie „made in UK“ schenkte, erfuhren die Gäste des 5. Sonntagskonzerts der Hamburger Symphoniker mit Staunen.

Wobei der Herkunftsvermerk nicht ganz stimmt, denn sie entstand 1907/08 in Rom. Was man ihr gleich anhört. Erinnert der hymnische Leitgedanke des knapp einstündigen Werks doch an eine Prozession, die über vier Sätze hinweg wie eine wandelnde mediterrane Erscheinung immer wieder auftaucht. Auch wenn Elgar Deutungshinweise vermied: scheinbar nur taktschlagend, entfachte der Chefdirigent in der Laeiszhalle ein gewaltiges „inneres Drama“ in vier Akten, dessen Spannungsgefälle, Klangfarbenspiele und instabile Harmonik dem Publikum schier den Atem verschlugen.

Anders als Elgar, dessen „Land of Hope and Glory“ zur inoffiziellen Nationalhymne wurde, ist William Walton hierzulande wenig bekannt. Für sein Viola Concerto (1929/30, revidiert 1961), das ihm den künstlerischen Durchbruch brachte, nahm er sich das Violakonzert Nr. 1 von Prokofjew zum Vorbild. Kein Geringerer als der Bratschenvirtuose Paul Hindemith hob es aus der Taufe. Der Israeli Amihai Grosz, Erster Solobratscher der Berliner Philharmoniker, war jetzt mit seiner edlen, über 400 Jahre alten Gasparo-Viola der berufene Mittler. Der gemächliche Kopfsatz und der quirlige Mittelsatz verwickeln Solist und Orchester in rhythmische Vexierspiele, während das Finale nach einem Orchester-Allotria beinah verzagt endet.

Mit einem neobarocken Suitensatz von Max Reger belohnte der Solist die allgemeine Begeisterung.