Schauspielerin Friederike Becht bekommt an diesem Sonnabend den mit 10.000 Euro dotierten Ulrich-Wildgruber-Preis

Hamburg. Kurz vor Weihnachten klingelt Friederike Bechts Handy. Ulli Waller, Intendant des St. Pauli Theaters, ist am anderen Ende und teilt ihr mit, dass sie mit dem Ulrich-Wildgruber-Preis ausgezeichnet werden soll. „Ich saß gerade bei meiner Schwester im Auto und war total aus dem Häuschen. Ich war sehr überrascht, dass ich von der Jury ausgewählt worden bin“, sagt die 28 Jahre alte Schauspielerin. Erst später wird ihr bewusst, in welche Phalanx von Schauspielern sie sich einreihen wird. Unter anderem sind August Diehl, Birgit Minichmayr, Maren Eggert, Caroline Peters und Sandra Hüller mit dem Preis geehrt worden. „Mit in dieser Reihe stehen zu dürfen, das ist schon Wahnsinn“, sagt Becht.

Einer breiten Öffentlichkeit und auch den Juroren ist sie in der Rolle der Marlene im Kinofilm „Im Labyrinth des Schweigens“ aufgefallen. Darin spielt sie die Freundin des jungen Staatsanwalts Johann Radmann, der gegen SS-Soldaten ermittelt, die im Konzentrationslager Auschwitz an der Ermordung von jüdischen Häftlingen beteiligt waren. Die Beziehung scheitert jedoch, weil Radmann sich zu sehr in seinen Recherchen vergräbt und sich nicht mal mehr über den Erfolg von Marlene als Modedesignerin freuen kann.

„Marlene hat Kraft und Lebenslust und lässt sich die Butter nicht vom Brot nehmen. Sie schreitet mutig voran und verkörpert die Hoffnung und das Lebendige“, beschreibt Becht ihre Rolle in Guilio Ricciarellis Polit-Drama. Wenn Becht als Marlene zum Beispiel in einem knallroten Kleid an der Seite von Radmann, gespielt von Alexander Fehling, bei einem Empfang erscheint, verleiht sie dem doch sehr düsteren und schweren Thema eine kräftige Farbe. Die Liebesgeschichte macht Ricciarellis Ende der 50er-Jahre spielenden Film etwas leichter. Friederike Becht hat mit ihrer sympathischen Ausstrahlung daran entscheidenden Anteil.

Die meiste Arbeitszeit verbringt die in der Pfalz geborene Künstlerin am Schauspielhaus Bochum, wo sie seit 2010 festes Ensemblemitglied ist. Ein Jahr zuvor war sie in Essen engagiert, und als der dortige Intendant Anselm Weber nach Bochum wechselte, folgte Friederike Becht ihm.

Trotz der zeitaufwendigen Proben und Abendvorstellungen bleibt ihr Zeit, auch Film- und Fernsehrollen anzunehmen: „Ich sehe mir Drehbücher genau an, und wenn mich etwas interessiert, spreche ich mit meinem Intendanten Anselm Weber über so ein Angebot. Entweder es geht oder es geht nicht. Das Schauspielhaus ist da sehr offen und hat mir bisher einige Drehzeiten ermöglicht.“ In den vergangenen Theaterferien hatte die junge Schauspielerin nur zwei Wochen freie Zeit, weil sie einige Wochen vor der Kamera stand. „Die Kräfte verteilen sich besser, wenn die Arbeit zwischen Theater und Film aufgeteilt ist.“ Grenzüberschreitungen und Selbstausbeutung kennt Friederike Becht zwar auch, aber sie sagt: „Wir Schauspieler haben großen Hunger. Man gibt viel, aber das gibt einem auch wieder Kraft, und dann ist es Selbstbereicherung.“

Momentan steckt sie mitten in den Proben für Arthur Millers „Hexenjagd“, das die junge Regisseurin Daniela Löffner in Bochum inszenieren wird. Zur Zeit spielt Becht in fünf Inszenierungen, unter anderem als Desdemona in Shakespeares „Othello“ und als Luise Miller in Schillers „Kabale und Liebe“, „Hexenjagd“ feiert Ende Februar Premiere. Die junge Darstellerin ist nicht nur durch ihre Arbeit eingespannt, sie ist auch Mutter eines zwei Jahre alten Sohnes. „Zum Glück gibt es freie Tage, die dann ganz dem Haushalt und dem Kind gehören“, sagt sie. „Ich habe ein ganz gutes Netzwerk für die Betreuung. Zum Glück wohnen die Eltern meines Mannes auch nicht weit weg.“

An diesem Sonnabend wird Friederike Becht der mit Unterstützung der Nordmetall-Stiftung mit 10.000 Euro dotierte Preis im St. Pauli Theater überreicht. Was sie mit dem Preisgeld anfangen wird, hat sie im Einzelnen noch nicht überlegt. „In jedem Fall werde ich Geld für ein Flüchtlingsheim in Bochum spenden.“ Viel Zeit zum Feiern bleibt in Hamburg jedoch nicht. Nach der Preisverleihung muss Becht sofort wieder nach Bochum zurück, denn am Abend hat sie Vorstellung im Schauspielhaus – als Desdemona im „Othello“. Da schließt sich der Kreis zu Ulrich Wildgruber. Der feierte 1976 als Othello einen riesigen Erfolg am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg.