Die international besetzte Göteborgsoperans Danskompani zeigte mit „Spirit“ zwei zeitgenössische Tanzkunst-Choreografien auf Kampnagel. Der Japaner Saburo Teshigawara erwies sich als Meister des Lichts.

Hamburg. Tellerröcke schwingen, spannen sich weit auf in den kreiselnden Drehungen der Tänzerinnen. Die Männer tragen akkurat geschneiderte Anzüge, dann und wann stakst auch mal einer von ihnen in mörderischen High Heels über die Bühne. Modisch gestylt kommt das Tanzstück „Noetic“ von Sidi Larbi Cherkaoui eingangs daher wie eine extravagante Cocktailparty. „Spirit“ ist der Doppelabend übertitelt, mit dem die Göteborgsoperans Danskompani in deutscher Erstaufführung auf Kampnagel gastiert. Mit „Metamorphosis“ von Saburo Teshigawara hat die zeitgenössisch ausgerichtete und international besetzte Compagnie aus Schweden eine weitere Arbeit von einem ebenso bedeutenden Choreografen im Gepäck.

Zwei kosmopolitischen Tanzavantgardisten aus unterschiedlichen Generationen hat die künstlerische Leiterin des Ensembles, Adolphe Binder, für „Spirit“ gewinnen können. Und beide tun in ihren Kreationen gut daran, das Thema vor allem physisch und formal ästhetisch anzugehen, wobei es ihnen darüber hinaus dennoch gelingt, den Sinn für höhere Zusammenhänge spürbar anzuregen.

Schwarze Kleidung im blendend weiß ausgeschlagenen Raum: Cherkaoui, der Flame mit marokkanischen Wurzeln, setzt auf Kontraste. Trommelschläge der japanischen Perkussionistin Tsubasa Hori wechseln sich ab mit Miriam Anderséns glasklarem Gesang. Die schon manches Mal kongeniale Zusammenarbeit von Cherkaoui mit dem bildenden Künstler und Turnerpreisträger Antony Gormley, der in den Deichtorhallen mit seiner Installation „Horizon Field“ Besucher das Schweben lehrte, wirkt diesmal recht bemüht. Stangen aus Kohlefaser zu ornamentalen Bögen und Toren geformt und zu Reifen zusammengesteckt, verbreiten einen Hauch von Sportgymnastik.

Verbindungen schaffen, Muster erkennen, die von den kleinen Dingen auf große Zusammenhänge schließen lassen, leiten hier die choreografische Idee. Rein tänzerisch in Soli, Duetten, Trios, die sich fließend formieren und wieder auflösen, in Clustern, in denen sich die Konstellationen von Männern und Frauen verschieben, gelingt Cherkaoui die Umsetzung weitaus überzeugender. Und auch reibungsvoller als im Zusammenspiel mit den Objekten.

Der Japaner Saburo Teshigawara, der seit 30 Jahren die Tanzkunst mit seinem unverkennbaren, asiatisch und europäisch inspirierten Stil prägt, erweist sich einmal mehr als Meister des Lichts.

Die Dunkelheit des Raumes zum Leuchten gebracht

Die Dunkelheit des Raumes bringt er zum Leuchten, fast durchsichtig und höchst verletzlich schimmert die Haut der Tänzer in einem hell gleißenden Schein. Wie Würmer winden sie sich auf dem metallisch anmutenden Boden, halten plötzlich inne, schwebend zwischen Himmel und Erde. Reglos liegen sie dann wie schlafend am Boden, schrecken plötzlich hoch. Von unendlicher Langsamkeit bis hin zur erschöpfenden Raserei umfasst ihr Tanz ein unglaubliches dynamisches Spektrum und taucht ein in eine Körperlichkeit, die an physischen wie psychischen Grenzen rüttelt. Sakrale Chorgesänge von Olivier Messiaen bilden eine musikalische Folie. Riesige, silbern glänzende Spiralen rollen heran, Objekte, die ein bedrohliches Eigenleben führen. Tänzer bewegen lange Stahlstangen, lassen sie krachend zu Boden fallen, schlagen harte Schneisen in die zarte, sich fortlaufend krümmende Bewegung. Franz Kafkas „Strafkolonie“ liefert Teshigawara die Motive, schwört ein Szenario herauf von Angst und Verletzlichkeit in einem Tanz aus purer Energie und Sinnlichkeit. Ein Tanz, der einer ständigen Häutung gleichkommt.

Mochte man angesichts von „Noetic“ anerkennend die solide moderne Technik der Compagnie goutieren, angereichert mit ein paar Breakdance-Moves des früheren Streetdancers Cherkaoui, so wird dagegen in „Metamorphosis“ deutlich, welche grundlegend tiefe Wandlung die Tänzer durchlaufen haben.

Und das zeigt auch, dass es der Göteborgsoperans Danskompani ernst ist mit ihrem Bekenntnis zur Zeitgenossenschaft und der künstlerischen Verpflichtung gegenüber den Choreografen, die einzigartige Stücke eigens für sie kreieren.