Jazz-Trompeter Nils Wülker gewann 2013 einen Echo. Seine neue CD erscheint im Februar

Die nachhaltigste Wirkung auf mein Leben hatte Miles Davis’ Meisterwerk „Kind Of Blue“, es war meine erste, folgenschwere Begegnung mit Jazz. Zuvor hatten Musikhören und Musikspielen für mich herzlich wenig miteinander zu tun. Ich spielte mit überschaubarem Ehrgeiz klassisch Klavier und Trompete, hörte aber wie alle meine Freunde Pop. Dass Musik mehr als ein Hobby sein könnte, zog ich nicht in Erwägung, Jazz kam nicht vor, und von Miles hatte ich noch nie gehört.

Und dann das: Ich war 16 und hatte gerade erst bei der in den 90ern aufkommenden Acid-Jazz-Welle bemerkt, dass Trompete auch anders klingen konnte. Dann spielte mir jemand „Kind Of Blue“ aus dem Jahr 1959 vor und nach 30 Sekunden des ersten Tracks „So What“ war ich elektrisiert: Das ist der Moment, wenn Ron Carter das Thema auf dem Kontrabass beginnt, Klavier und Bläser antworten rhythmisch. Für mich tat sich eine neue Welt auf, das war der coolste Groove, den ich je gehört hatte, die Musik klang unerhört lässig und sexy. Miles Davis anschließendes Solo, sein vibratoloser Trompetensound hypnotisierten mich restlos.

Solche Musik wollte ich auch machen! Plötzlich schien es wirklich Sinn zu machen, ein Instrument zu spielen. Zunächst brauchte ich aber dieses Album. Dummerweise hatte ich mir nur den Künstlernamen gemerkt und war im Plattenladen von der schieren Flut an Veröffentlichungen völlig überfordert. Die Kaufentscheidung fiel nach klaren Kriterien: das coolste Cover zum Mid-Price. So landete ich bei „Tutu“ von 1986, statt mit Ron Carter begann der erste Track mit Marcus Millers E-Bass, und ich verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte ein einzelner Mensch so unterschiedliche Musik machen? Erneutes Nachfragen sicherte mir dann das richtige Album, mittlerweile steht Miles’ Gesamtwerk zu Hause.

„Kind Of Blue“ ist eines meiner Alben für die einsame Insel, ich lege es regelmäßig auf und jedes Mal fühlt sich wie ein musikalisches Nach-Hause-Kommen an. Und bei Trompete und dem Wunsch, Jazz zu spielen, bin ich auch geblieben.