Kostenlos Ausstellungen besuchen – an diesem Sonntag, mit Unterstützung des Abendblatts. Möglich wurde das, weil die Direktoren gemeinsame Sache machen

Es war schon ein echter Tiefpunkt, als die Hamburger Kunsthalle vor vier Jahren wegen defekter Lüftungsklappen geschlossen wurde und in jenem Jahr auch das Altonaer Museum dichtmachen sollte. Damals, als die Kulturdepression die Hamburger Luft verdickte, krempelten fünf Leute die Ärmel hoch und schmiedeten einen Plan: Sie wollten die Idee der Kunstmeile wiederbeleben, die einst so halbherzig vor sich hingedümpelt hatte, sichtbar durch wenig mehr als ein paar schlappe grünliche Flaggen.

Schließlich, das wussten sie ja alle, haben es auch andere Städte geschafft, ihre Kunsthäuser in der öffentlichen Wahrnehmung zu bündeln: Das Wiener Museumsquartier ist so ein Beispiel, das Frankfurter Museumsufer oder die Berliner Museumsinsel.

Während in Hamburg früher jeder Museumsdirektor, auf Abgrenzung bedacht, allein vor sich hinarbeitete, sitzen heute Sabine Schulze, Ortrud Westheider, Bettina Steinbrügge, Hubertus Gaßner und Dirk Luckow, sämtlich Leiterinnen und Leiter von Hamburgs wichtigen Kunsthäusern, völlig entspannt gemeinsam am Tisch, weil sie seit mittlerweile vier Jahren an einem Strang ziehen. Was früher durchaus nicht üblich war, ist also normal geworden, Konkurrenz ist zurückgewichen zugunsten konstruktiver Zusammenarbeit. „Ein schönes, kollegiales Wir-Gefühl“ nennt das der Deichtorhallen-Chef Dirk Luckow. Auch Bettina Steinbrügge bestätigt, dass „hier miteinander geredet wird. Das ist nicht selbstverständlich, und es ist gut, weil diese Selbstorganisation unglaublich viel Energie produziert. Und mir ist schon sehr bewusst, dass man in der zeitgenössischen Kunst mit einer gewissen Stärke auftreten muss“.

Mit einem gemeinsam finanzierten Etat, den ein Haus allein sich nie hätte leisten können, sind die Hamburger Museumsleute seit 2010 auf den wichtigen Kunstmessen, der Internationalen Tourismus-Börse und großen Ausstellungs-Ereignissen wie der Biennale in Venedig unterwegs, um Hamburgs Kunstmeile bekannter zu machen. Mit Erfolg: Während die Werbe-Aktionen anfangs ein Zuschuss-Geschäft waren, tragen sie sich mittlerweile von selbst durch mehr verkaufte Eintrittskarten. Natürlich könne man hier nur davon träumen, wie die Frankfurter Schirn Ausstellungen bundesweit zu plakatieren, sagt Sabine Schulze, Direktorin des Museums für Kunst und Gewerbe. Aber möglich sei doch mehr, als man denke. Allerdings „muss ich, wenn ich mit einer Ausstellung überregional interessant sein will, auch etwas machen, das mehr als 5000 Euro kostet“.

Den Tag der Kunstmeile auf den morgigen Sonntag zu legen, ist keine Verlegenheitslösung: „Die Verlangsamung, die mit den Festtagen einhergeht, ermöglicht ja auch einen Raum für Auseinandersetzung. Deshalb ist der 14. Dezember ein guter Tag dafür“, findet Kunstvereins-Chefin Bettina Steinbrügge, und die anderen stimmen zu. Für einen Tag aus dem Erledigungs-Wahnsinn auszusteigen und ganz in den Kosmos der Kunst einzutauchen – ohne Zeitgefühl und mit Lust am Ausprobieren – besser kann man sich wohl kaum inspirieren lassen und den vielen Alltagspflichten den Rücken kehren.

Der Kunstmeile gegenüber befindet sich allerdings auf breiter Front Hamburgs Konsummeile, dessen sind sich die Direktoren sehr wohl bewusst. Aber sie wissen eben auch, dass „die Sinnsucher immer mehr werden, das erlebt man in jeder Führung“, erzählt Ortrud Westheider vom Bucerius Kunst Forum. MKG-Chefin Sabine Schulze ergänzt, dass beispielsweise ihre hauseigene Führung zum Thema Weltreligionen „sehr nachgefragt“ sei. Bettina Steinbrügge als Vertreterin der jüngsten Kunsttendenzen, weiß dagegen, dass sich neue Kunst und Konsum gefährlich nahe gekommen sind in den vergangenen Jahren, dass die zeitgenössische Kunst Glamour hat und eine Art Fashion-Hipster-Szene anzieht. „Man darf unsere Arbeit nicht mit Eventmarketing verwechseln. Wir müssen schauen, dass wir seriös bleiben und Inhalte vertreten“.

Auch Blockbuster-Ausstellungen wie die Traumfrauen bzw. Traummänner in den Deichtorhallen waren verdächtig nah an der omnipräsenten Werbe-Ästhetik, sie haben dennoch die Kasse gefüllt wie keine andere Ausstellung des betreffenden Jahres. Aber auch große, teure Ausstellungen wie die Caspar David Friedrich Schau in der Kunsthalle oder deren Giacometti-Ausstellung gemeinsam mit dem Bucerius Kunst Forum funktionieren immer, da sind sich alle einig. 75 Prozent auswärtige Besucher konnte Hubertus Gaßner mit dem deutschen Romantiker erreichen, für gut die Hälfte seiner Besucher war die Ausstellung der Hauptanlass, nach Hamburg zu fahren.

Das sind harte Fakten, die auch für die Tourismus-Branche interessant sind. Ortrud Westheider ist voll im Bilde, was solche Aspekte angeht: „Mehr als 50 Prozent der Hamburger Musical-Gäste interessieren sich auch dafür, andere kulturelle Einrichtungen der Stadt zu besuchen.“ Und ein Kunstmeilen-Ticket könne man blind kaufen, weil interessierte Besucher einfach davon ausgehen könnten, dass sie „immer etwas Qualitätsvolles finden“, sagt Dirk Luckow.

Dirk Luckow konnte die afrikanische Kuratorin Koyo Kouoh gewinnen

Möglicherweise werden die künftigen inhaltlichen Herausforderungen für die Museen auch darin liegen, noch klarer und engagierter Position zu beziehen. Im Museum für Kunst und Gewerbe hat die Foto-Kuratorin Esther Ruelfs die extrem gesellschaftskritische, dennoch sehr attraktive und böse ironische Foto-Ausstellung „Fette Beute – Reichtum zeigen“ realisiert und im Begleitprogramm so spannende Leute wie den Fotografen Juergen Teller eingeladen. Und Dirk Luckow plant für Herbst 2015 in den Deichtorhallen eine Ausstellung mit dem Arbeitstitel „Politik auf den Weltmeeren, Streamlines – die Ozeane als sechster Kontinent“. Dafür konnte er die afrikanische Kuratorin Koyo Kouoh gewinnen, die eine Reihe von Künstlern einladen wird, um eine ortsspezifische Ausstellung zu realisieren. Sie wird die Handelswege auf dem Wasser und damit auch Hamburg als Handelsstadt mit kolonialer Vergangenheit zum Thema haben.

Allerdings gibt es nicht nur Grund zum Schwärmen und Freuen. Hubertus Gaßner, der am längsten von allen da ist, weiß auch, woran es hapert, bis heute: „Gerade wenn Gäste von außen kommen, müsste man sie anders empfangen können. Der Weg von der Kunsthalle bis zu den Deichtorhallen müsste viel attraktiver gestaltet werden“, sagt er. „Ich wünsche mir, die Kunstmeile sichtbarer zu machen und das ganze Gelände zu arrondieren. Uns muss es gelingen, für Fußgänger eine Kulturzone zu schaffen, sie zu begrünen, andere Gehwegplatten zu verlegen – all solche Dinge.“ Schließlich wolle die Stadtplanung entlang der ehemaligen Wallanlagen die Hafen-, die Kultur- und die Grünzone hervorheben, das entspreche dem Generalplan. „Wir haben gute Ideen, um zu einer Kunststadt zu werden, und würden das gerne gemeinsam mit der Stadt erreichen.“

Ein Riesenerfolg ist schon jetzt die Tatsache, dass die Kunstmeile für die Fototriennale 2015 ihre Ausstellungspläne komplett abgesprochen hat. Vielleicht, weil das Thema nach vorn blickt: „Die Zukunft der Fotografie“.