Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard verteidigt „EcoFavela Lampedusa Nord“: Nachbau der Roten Flora als Begegnungsraum für Flüchtlinge. Afd erstattet Strafanzeige.

Hamburg. Sie ist sich keiner Schuld bewusst, die am vergangenen Freitag mit einer Strafanzeige überzogene Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard. Der Landesvorstand der Partei AfD hatte den Antrag wegen „Verdachts der Beihilfe zu Ausländerstraftaten sowie des Verdachts der Untreue“ bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Denn am 2. Dezember begann, was Deuflhard und die Initiatoren der Künstlergruppe Baltic Raw ein Kunstprojekt nennen: „EcoFavela Lampedusa Nord“ – ein temporärer Begegnungsraum für Flüchtlinge der Lampedusa-Gruppe in Hamburg und Bürger der Stadt auf dem Gelände von Kampnagel.

Dazu dient der bereits zum Sommerfestival auf einer Fläche von 100 Quadratmetern errichtete hölzerne Nachbau der Roten Flora. Nach seiner Erstnutzung als Festivalzentrum war der Bau von Anfang an als Austragungsort des Flüchtlingsprojekts gedacht.

„Wir haben für die Umnutzung einen Bauantrag beim Bezirksamt Hamburg-Nord gestellt, der auch bewilligt wurde“, sagt Móka Farkas von Baltic Raw. „Ich habe sogar noch darauf gedrungen, dass wir die veränderte Raumaufteilung beim Bauamt nachreichen“, bestätigt Deuflhard. Ungeachtet der behördlichen Zustimmung für die baulichen Bestandteile des Kunstprojekts sieht AfD-Vorstandsmitglied Karina Weber hingegen darin ein „sogenanntes Kunstwerk“, in dem Deuflhard „sechs der sich hier illegal aufhaltenden Lampedusa-Flüchtlinge“ beherberge. Dafür habe sie keine Genehmigung, auch gebe es keinen Brandschutz.

Tatsächlich enthält das angenehm beheizte Haus, das bis zum 30. April stehen bleiben soll (dann endet das Projekt), neben einem offenen, dielenartigen Versammlungsraum von gut 30 Quadratmetern, Küche und Duschbad fünf kleine Räume, die jeweils mit einem hochklappbaren Bett ausgestattet sind und tagsüber als Arbeits- und Rückzugsräume den Flüchtlingen zur Verfügung stehen. In einem sitzt Ali Mosess aus Ghana an einer Nähmaschine und näht Kissenbezüge aus Stoffen, die ihm eine Deutsche aus Burkina Faso mitgebracht hat. In einem anderen will der Nigerianer Asuquo Udo, der auch als Sprecher der Lampedusa-Gruppe fungiert, ein temporäres Flüchtlingsradio aufbauen. Asuquo, der in Nigeria als Journalist gearbeitet hat, sagt zur Strafanzeige: „Diese Dame öffnet damit ein neues Kapitel in dem Konflikt.“

Die vier Flüchtlinge, die jetzt durch Kampnagels Kunstprojekt – Deuflhard nennt es eine „soziale Skulptur, ein prozessgenerierendes Labor“ – vorübergehend Obdach für den Winter gefunden haben, gehören nicht zu denen, die von der Stadt eine Duldung ihres Status erreicht haben. „Nach den Papieren haben wir nicht geguckt“, sagt Móka Farkas, und auch die Intendantin weist die Erwartung von sich, sie müsse prüfen, ob sich die betroffenen Flüchtlinge legal hier aufhalten. „Das tue ich mit keinem meiner Künstler, ich kontrolliere niemanden“, sagt sie.

Das Projekt wurde laut Farkas privat über zwei Crowdfunding-Aktionen finanziert, was den Vorwurf der Veruntreuung von Staatsgeldern per se obsolet macht. Doch auf diese Rechtsposition will sich Deuflhard nicht zurückziehen: „Hier geht es um die Freiheit der Kunst, eine der wichtigsten Errungenschaften unserer Demokratie.“