Vivica Genaux rettet einen Abend, zu dem eigentlich zwei Sängerinnen gehört hätten

Hamburg. Zum Zicken gehören bekanntlich immer zwei. Deshalb fiel das Programm des „Alten Werks“, das den legendenumwobenen Primadonnenstreit zwischen den Diven Faustina Bordoni und Francesca Cuzzoni nachzeichnen sollte, wie ein schlapper Luftballon in sich zusammen, als der allfällige Novemberinfekt sich am Konzerttag der Sopranistin Simone Kermes bemächtigte und sie daran hinderte, auf der Bühne der Laeiszhalle der Cuzzoni ihre Stimme zu leihen.

Womöglich hätte Kermes stellvertretend auch den einen oder anderen Knuff gelandet. Will es doch die Legende, dass die beiden gefeierten Goldkehlchen sich 1727 auf der Bühne der Londoner Haymarket Opera mitten in Händels „Astianatte“ handfest in die Perücken bekamen. Die Vorstellung musste abgebrochen werden, das Medienspektakel war perfekt. Mag die Fachwelt auch am Wahrheitsgehalt zweifeln, auf jeden Fall hätte die Episode einen interessanten Einblick in die Opernwelt des 18. Jahrhunderts erlaubt. Schade drum.

Zurück blieben also die Mezzosopranistin Vivica Genaux und die Cappella Gabetta. Sie retteten den Abend, flugs umbenannt in „A Tribute to Faustina Bordoni“, auf allerhöchstem Niveau. Genaux im strassbesetzten, federgeschmückten Abendkleid machte jedem noch so hochfliegenden Traum von einer Diva alle Ehre. Und tirilierte, verzierte und kadenzierte lächelnd, technisch perfekt und in einem Tempo, dass man seinen Ohren kaum traute.

Genaux erinnerte gelegentlich an Andersens mechanische Nachtigall

Das Wetteifern der Opernsänger hat damals manchen Komponisten in Lohn und Brot gehalten. Namen wie Giovanni Bononcini oder Nicola Porpora kennen heute nur noch Eingeweihte. Zu Ton kam freilich auch Johann Adolph Hasse, seines Zeichens Gemahl der Bordoni und als Komponist damals ebenfalls ein Star. Die Szene „Piange quel fonte“ aus seiner Oper „Numa Pompilio“ wurde zu einem der großen Momente des Abends. Während Genaux’ schwindelerregend beweglicher Kiefer sonst gelegentlich den Eindruck erregte, es sänge eine Wiedergängerin von Hans Christian Andersens mechanischer Nachtigall, fand sie hier zu wirklichem Ausdruck und musizierte unprätentiös und innig mit den Instrumentalisten zusammen.

Die Musiker machten unter der Leitung von Andrés Gabetta mit ihrem farbigen, frischen und stilsicheren Spiel vergessen, dass einige der Renommier-Arien durchaus zu Recht einige Jahrhunderte lang vergessen waren. Den Instrumentalwerken war nicht anzumerken, dass sie als Ersatz fungierten. So einen Furor wie beim dramatischen Vivaldi-Konzert oder bei Geminianis sich wie ein Derwisch immer weiter steigernder „Follia“ wünschte man sich öfter. Nein, eigentlich immer.