Der Songwriter Carsten Pape ist seit 30 Jahren immer irgendwie da, wenn auch oft unter dem Radar. Eine Begegnung

Hamburg. „Jetzt habe ich es geschafft. Nach 17 Alben darf ich endlich beim Abendblatt auftreten“, freut sich Carsten Pape, als er im Newsroom in die Runde blickt. Tja, wir hätten ja angerufen, aber Pape, dieses Unikum in Hamburgs an Unikaten wahrlich nicht armen Musikszene, ist ja auch immer irgendwo unterwegs. Aber nun ist er da, der Mann, der „Lotto King Karls Gitarre trägt“, wie viele wissen. Aber der auch Lottos Klassiker „Fliegen“ geschrieben hat, was wenige wissen.

Wenn Hamburg heute die Stadt der großen und kleinen, mal tiefgründigen und mal poppigen Songschreiber, die Stadt von Gisbert zu Knyphausen, Niels Frevert, Axel Bosse, Enno Bunger, Spaceman Spiff und Johannes Oerding ist, dann ist Carsten Pape ein guter Tropfen Ursuppe. „Das sind alles tolle Songschreiber. Damals, als ich angefangen habe, gab es im ganzen Land nur Lindenberg, Westernhagen, Grönemeyer.“ Und Maffay. Und eine Band namens Clowns & Helden. Mit dem „Trottelgesicht“ Pape am Mikro, das mal wieder verliebt ist. 1987 wird „Ich liebe dich“ Papes erster und letzter Top-Ten-Hit. Er selbst kurze Zeit ein Star. „Aber ein Traum ist nur ein Traum, bis er sich erfüllt“, sagt Pape in der Rückschau. 1989 lösen sich Clowns & Helden auf.

Trotzdem lebt Pape die Musik weiter. Mit den Bands Roh und Vopá, als Duettpartner von Lotto King Karl und als Mann mit dem Hut auf: in seiner aktuellen Band Pape, in der ihm Gitarristin Katja Rauschenberger, Bassistin Maja Kim und Keyboarder Christof Osburg zur Seite stehen. „Die Einsamkeit des Schwimmers“ heißt das im Mai erschienene Album und ist so ganz Pape. Bodenständig, ungeschliffen, direkt. Nachdenklich („Die Zeit wischt die Tränen weg“), trotzig („Ich bin dagegen“) und stolz („Das hat der Norden aus mir gemacht“). Durchaus radiotauglich. „Aber wenn ich mit einem Song zum Radio komme, heißt es: ‚Nee, das können wir nicht spielen. Zu viele Noten.‘“

Zusammen mit Christof Osburg stellt Pape einige der Lieder im Newsroom live vor. „Sorry, es gibt keine großen Hits, aber ihr habt ja auch keinen Eintritt gezahlt“, sagt er und grinst. „Das erste Stück ist nicht so doll, aber lassen Sie es sich nicht anmerken.“ Der Applaus für „Die Einsamkeit des Schwimmers“, „Das Foto“ und „Das hat der Norden aus mir gemacht“ ist ehrlich und lang. „Das Lied über den Norden ist unsere neue Single. Und wissen Sie, warum man heute noch Singles veröffentlicht? Um auf die beschissenen Verkaufszahlen des Albums hinzuweisen.“

Pape ist ein Meister der Selbstironie („Rente ist auch nur ein Wort“). Glamour ist nicht seines, glänzen tut nur seine Glatze, wenn er kurz den Hut lüftet, damit sich feine Schweißtropfen auf ungelenken Bahnen den Weg hinab zum Hals bahnen können. „Heute Morgen waren wir schon im Newsroom vom Elbe & Geest Wochenblatt“, scherzt Pape und trifft doch ein Stück die Wahrheit. Schließlich tritt er seit Jahren an jeder Bierkanne auf, wenn er nicht gerade skurrile Romane („Kreativ-Pause“, „Die Glocke“) schreibt oder mit Viktor Hacker und Armin Sengbusch die Literatur-Show „Die Feuerbrüder“ präsentiert. Kleine Clubs, Betriebsfeste, Baumärkte, Pape nimmt alles mit.

„Was spricht denn gegen einen Baumarkt-Gig? Als Dachdecker nimmst du tausend im Monat mit, aber als Musiker an einem guten Abend ,eins acht‘.“ Und auf dem Land zu spielen, wo man Cola-Korn aus dem Pitcher einschenkt, ist ein besonderes Vergnügen. „Die Menschen dort sind nicht so verwöhnt wie in der Großstadt und einfach dankbar, wenn sie Livemusik erleben dürfen. Am 20.Dezember spielen wir übrigens im Nolte in Lüneburg, das ist doch noch euer Einzugsgebiet?“

Und machen wir uns nichts vor: Wenige Musiker dürfen seit zehn Jahren alle zwei Wochen vor 50.000 Zuschauern spielen. Pape tut es, wenn er im Volkspark bei HSV-Heimspielen mit Lotto King Karl den Kran besteigt und „Hamburg, meine Perle“ singt. Noch heute denkt Pape an ein Spiel gegen die Bayern zurück, als Uli Hoeneß auf ihn zustürmte. „Ich dachte, jetzt gibt es Ärger.“ Aber Hoeneß hatte nur Gänsehaut und lobte das Lied. „Herr Hoeneß, haben Sie überhaupt zugehört?“, fragte Pape. Hoeneß hatte und lud Lotto und Pape nach München in die Allianz-Arena ein. „Da spielten wir vor Edmund Stoiber, Helmut Marktwort, Uli Hoeneß. Lotto King Karl meinte, das wäre wie auf dem Todesstern zu spielen. Sogar der Imperator ist da. Ich habe dann schnell das Lied angefangen.“

Als Kind war Carsten Pape ein ganzes halbes Jahr lang Fan von Werder Bremen. „Ich werde Werder vermissen, wenn sie absteigen sollten. Die geschmacklosen Farben, die Derbys. Wäre doch schade“, unkt Pape und singt im Newsroom seine Hymne auf den gestorbenen HSV-Kultmasseur: „Hermann Rieger, du bist der beste Mann“, gefolgt von „Jeder auf seine Weise“ und „Hamburg, meine Perle.“ Auch ohne Eintritt gibt es nach 45 Minuten einen Hit. Und Papes Handynummer. „Ich spiel gern mal bei euch auf der Weihnachtsfeier.“ Das wäre toll, vielleicht nächstes Jahr. Wir haben ja jetzt die Handynummer. Speichern sie. Sie steht schon im Adressbuch, wohl seit Jahren. Zum Glück hat Pape es nicht gemerkt.