Der bewegende Film „Sein gutes Recht“ bringt ehemalige Tanzkursteilnehmer erneut zusammen und erzählt von der Volkskrankheit

Wenn Leni (Thekla Carola Wied) Max besucht, dann sagt die Pflegerin durch die Gegensprechanlage: „Achten Sie bitte darauf, dass die Tür hinter Ihnen schließt.“ Es sind Sätze wie diese, die Max – gespielt von Matthias Habich – seine Freiheit nehmen, ihn völlig entmündigen. In manchen Momenten begehrt er dagegen auf, er wird energisch und erhebt die Stimme. Doch die Augenblicke, in denen der Alte ins Leere starrt und sich ein Nebel der Demenz um ihn verdichtet, werden häufiger. Der bewegende Arte-Film „Sein gutes Recht“ erzählt mehr als nur ein Einzelschicksal – er zeigt die gesellschaftlichen Nebenwirkungen einer Volkskrankheit.

Es beginnt alles mit dem Tod. Leni Schönwald tanzte gerade noch durch ihre Wohnung, als die Lachfältchen um die ausdrucksstarken Augen der Rentnerin plötzlich erschlaffen. „Charlie“ liegt auf dem Boden seines Käfigs. Als Leni den Vogel begraben möchte, läuft ihr Max Büttner über den Weg. Und alles beginnt von neuem.

Mehr als ein halbes Jahrhundert haben sie sich nicht gesehen, ihre Verbindung schlummerte in einem Karton: Ein Foto zeigt ein junges, hübsches Paar. Die Hände zusammengelegt lächelt sie etwas verlegen in die Kamera, er – unförmige Frisur, dunkler Anzug – schaut etwas gequält drein: Die Freuden eines Tanzkurses Ende der 50er-Jahre.

Leni und Max geben auch in der Gegenwart noch ein gutes Paar ab. Er sagt: „Du warst die Erste, die ich geküsst habe.“ Sie schweigt. „Ich glaube, ich war ein lausiger Küsser damals.“ Keine Reaktion. „Oder?“ Lenis Mund umspielt ein Lächeln.

Die Witwe und der zweifach Geschiedene gehen von da an gemeinsam durch die Welt, doch Unbeschwertheit und Realität mischen sich schnell. Leni findet Max in seinem Garten. Der Mann mit dem grauen Bart und den tiefen Furchen im Gesicht steht nur da. Mit halb geöffnetem Mund. Er ist nicht ansprechbar.

Max teilt die Krankheit mit 1,5 Millionen Deutschen: Demenz. Durch absterbende Hirnzellen geht das Gedächtnis verloren, der Kranke wird immer desorientierter. Die Zahl der Leidenden nimmt mit dem Alter zu. 2050 soll es bereits mehr als drei Millionen Demenzkranke in der Bundesrepublik geben. Sie ist die Volkskrankheit einer Gesellschaft im demografischen Wandel.

Ein selbstbestimmtes Leben zu führen wird für Max immer schwieriger. In seinen lichten Momenten ist er gebildet, schlagfertig und charmant. Doch die Krankheit behält immer öfter Oberhand. Ein Anwalt übernimmt seine täglichen Geschäfte. Max ist entmündigt. Er lebt, wie er sagt, in einer Welt, die ihn nicht mehr braucht.

Die energische Leni nimmt den Kampf auf. Gegen den Anwalt und die zuständige Richterin, gegen das System, das Max aus ihrer Sicht unterdrückt. Als er aus seinem großen Haus in ein Pflegeheim gebracht wird, klagt sie: „Das ist ja wohl immer noch seine Entscheidung.“ Der Anwalt antwortet: „Nein, ist es nicht mehr.“

Was „Sein gutes Recht“ zu einem so ausgezeichneten Film macht, ist neben den schauspielerischen Leistungen von Matthias Habich und Thekla Carola Wied die unverklärte Sicht auf die Realität. Die Wahrheit einer erbarmungslosen Krankheit und die facettenreiche Zeichnung von Charakteren, die keine Stereotypie in Gut und Böse trennt.

Nur halten Drehbuchautor Marco Wiersch und Regisseurin Isabel Kleefeld diesen Kurs nicht konsequent durch. Die Geschichte steuert in den letzten Zügen doch noch auf ein idealisiertes Ende zu, das den Beispielcharakter des Films trübt.

Trotzdem bleibt „Sein gutes Recht“ der eindrucksvolle Kampf zweier Erwachsener: Gegen das Diktat einer Gesellschaft der jungen Leistungsträger, die die Alten behandeln, als seien sie Kinder. Und gegen eine Krankheit. Gegen den Verfall, wie Max in einem klaren Moment sagt.

„Sein gutes Recht“ Fr, 20.15 Uhr, Arte